Stipendiatin Katrin Merdian
Katrin Merdian studiert Animation an der Filmakademie Baden-Württemberg und wurde bezüglich ihres bevorstehenden Auslandsaufenthalts für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2023 auserwählt. Sie wird das Wintersemester 2023 in Kolumbien in der Künstlerresidenz ArteSumapaz verbringen. Das Kunst und Film mehr bieten als „nur“ reine Unterhaltung, davon ist Katrin überzeugt und möchte während ihres Auslandsaufenthalts diesbezüglich weitere Erfahrungen sammeln und neue Möglichkeiten entdecken. Für Katrin ist jeder Film eine Art Reise, auf die sie ihre Zuschauer mitnimmt. Eine Reise, die die Teilnehmer berührt und verändert. Aus diesem Grund strebt sie ihren Abschluss als Animationsregisseurin an.
„Ich bin leidenschaftlich daran interessiert, Kunst zu nutzen, um einen positiven Einfluss zu erzielen, und ich bin immer auf der Suche nach neuen Wegen, die Grenzen der Kunst zu erweitern.“
Aber Katrin möchte noch viel mehr erkunden und einen Blick über den Tellerrand wagen, um verschiedene künstlerische Disziplinen zu erkunden und mit verschiedenen Medien zu experimentieren.
„Der Einblick in die kreativen Prozesse internationaler Künstler wird mir neue Ideen und Perspektiven für meine Arbeit geben und mich dabei unterstützen, meine Ziele zu erreichen.“
Wir sind uns sicher, dass Katrin ihre Ziele erreichen wird und sind schon sehr gespannt, was sie uns in Zukunft berichten wird!
Halbzeitbericht
Mein Plan für mein globales Engagement im Ausland sah eigentlich ein Volontariat in einer Künstlerresidenz in den Anden von Kolumbien vor. Allerdings begann meine Reise bereits einen Monat zuvor in Chile.
Dort startete ich mit einer dreiwöchigen Künstlerresidenz in der Atacamawüste im Norden Chiles, um mich in Lateinamerika zu orientieren und von der einzigartigen Umgebung inspirieren zu lassen.
Die Atacamawüste gilt als die trockenste Wüste der Welt und bildet einen starken Kontrast zu den feuchtropischen Dschungeln in Kolumbien. Dieser Kontrast erschien mir äußerst interessant und inspirierend für zukünftige Arbeiten.
Die meiste Zeit verbrachte ich in San Pedro de Atacama und unternahm von dort aus alle meine Ausflüge - sei es in die Höhen der Anden, in die Salzwüste, zu Observatorien oder sogar nach Bolivien! Mein Zuhause während dieser Zeit war bei einer indigenen Familie, die Lama-Herden hält. Echt ein einmaliger Ort!
Anschließend machte ich mich auf den Weg nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Mit einer Woche Puffer zwischen den beiden Residenzen nutzte ich die Pause, um in einer Großstadt Luft zu schnuppern, bevor ich mich erneut für drei Monate in die Isolation der Berge Kolumbiens begab.
Bogotá beeindruckte mich mit seiner bunten Vielfalt, den wunderschönen Graffiti und den zahlreichen Straßenständen, an denen man köstliche Empanadas oder Arepas bekommt.
Hier konnte ich in den örtlichen Bibliotheken umfangreiche Recherchen für meine künstlerische Arbeit durchführen, bevor es mich wieder in die ländlichen Anden zog.
Nach einer sechsstündigen Busfahrt von Bogotá nach Artesumapaz erreichte ich mein Zuhause für die nächsten Monate. Artesumapaz ist nach dem nächstgelegenen Paramo, dem Sumapaz, benannt.
Paramos gibt es nur in drei Ländern auf der Welt und stellen eine feuchttropische Hochlandsteppe dar. Es ist ein ganz besonderer Ort und gleichzeitig die Frischwasserquelle für die gesamte Umgebung.
Als Künstlerin strebe ich danach, innovative Ansätze in meine Werke einzubringen, und ich bin dankbar für die Gelegenheit, meine kreativen Fähigkeiten hier weiterentwickeln zu können.
Die Natur hier und die Umgebung sind total einzigartig, und die Vielfalt an Pflanzen und Tieren in Kolumbien haut mich immer wieder um.
Hier in Artesumapaz habe ich auch die Mitglieder der Intentional-Community getroffen. Vor Kurzem war ich bei einem nem echt spannenden Workshop dabei, wo es um selbstgemachten, nachhaltigen Hausbau mit Bambus ging.
Das Ganze hat mich total beeindruckt, vor allem die vielen Möglichkeiten und wie positiv das für die Umwelt ist. Wir haben praxisnahe Bautechniken gelernt, die speziell auf Bambus abgestimmt sind das hier auf dem Grundstück wächst.
Angefangen vom richtigen Schneiden und Vorbereiten des Materials bis zur Konstruktion stabiler Strukturen - die Leiter des Workshops haben uns Step-by-Step durch den Prozess geführt.
Aber das Beste am Workshop war auf jeden Fall, dass wir das Ganze direkt in die Tat umsetzen konnten. Gemeinsam haben wir an dem zukünftigen Haus einer Person aus der Intentional-Community mitgewirkt.
Das war eine super Möglichkeit, das Gelernte gleich anzuwenden und aktiv an einem nachhaltigen Bauprojekt hier in Artesumapaz teilzunehmen.
Während meiner bisherigen Zeit hier in der Künstlerresidenz in Kolumbien habe ich intensiv an meiner künstlerischen Arbeit gearbeitet und gleichzeitig durch meine ehrenamtliche Tätigkeit viel zur Gemeinschaft hier beigetragen.
Neben meiner künstlerischen Tätigkeit engagierte ich mich als Volunteer in Artesumapaz. Um etwas zurückzugeben, habe ich Englischunterricht für Kinder aus den umliegenden Gemeinschaften organisiert.
Diese Erfahrung hat nicht nur das Leben der Kinder bereichert, sondern auch den Einfluss unserer Stiftung in der lokalen Gemeinschaft erweitert.
Insgesamt bin ich dankbar für die Vielfalt der Erfahrungen, die ich bisher in dieser Künstlerresidenz gesammelt habe. Ich freue mich darauf, meine künstlerische Reise fortzusetzen und weiterhin einen positiven Beitrag zu leisten.
Mit Vorfreude blick ich den nächsten Wochen hier entgegen, voller Inspiration und Motivation für das, was noch auf mich zukommt.
Abschlussbericht
Nach meinem Halbzeitbericht habe ich eine der bemerkenswertesten Erfahrungen gemacht: Ich bin erneut für eine längere Zeit zusammen mit anderen Teilnehmern der Residency in die Sumapaz-Region gereist.
Dort habe ich nicht nur als Freiwilliger gearbeitet, sondern auch an der Videografie für eine Dokumentation mitgewirkt, die noch in diesem Jahr veröffentlicht wird.
Die Sumapaz-Region, von den spanischen Konquistadoren "El país de la niebla" (Das Land des Nebels) genannt, beheimatet viele wichtige Flüsse des Landes, darunter auch den Río Negro, der ArteSumapaz (die Künstlerresidenz) und die umliegende Umgebung umgibt.
Auf unserem Weg entlang des Rio Negro zum Paramo haben wir die Menschen kennengelernt, die hier seit Jahrzehnten leben, sowie ihre Landschaften und Traditionen.
Fique ist eine Pflanze, die in Kolumbien heimisch ist und zur Familie der Agaven gehört. Sie wird für ihre robusten Fasern geschätzt, die traditionell für die Herstellung verschiedener Produkte verwendet werden.
Don Hernán stammt aus einer Familie von Fique-Handwerkern mit einer Tradition, die über 200 Jahre zurückreicht. In den letzten 40 Jahren ist diese Tradition jedoch verloren gegangen, da viele der früheren Fique-Handwerker und Bauern nicht mehr aktiv sind.
Er arbeitet daran, diese Tradition am Leben zu erhalten und anderen den Prozess beizubringen.
Er hat uns eingeladen und uns gezeigt, wie er mit Fique arbeitet, und wir durften den gesamten Prozess selbst durchlaufen.
Durch Hernán lernten wir während unserer Zeit im Paramo seine Familie kennen und haben bei ihnen gelebt, gemeinsam gekocht und Tejo gespielt.
Tejo ist ein traditionelles kolumbianisches Spiel, das oft als Nationalsport des Landes angesehen wird.
Es wird normalerweise im Freien gespielt und beinhaltet das Werfen von Metallscheiben, genannt Tejos, auf eine Zielplatte, die mit kleineren Sprengstoffpaketen gefüllt ist.
Das Ziel ist es, die Sprengstoffpakete auf der Zielplatte zu treffen, um eine Explosion auszulösen und Punkte zu erzielen. Ich habe mich in all meinen Monaten nicht so sehr in die Kultur integriert gefühlt wie an diesen Abenden.
Um uns auf den Trip hoch in das Paramo vorzubereiten, haben wir das Reiten bei der Familie von Hernán gelernt.
Ich bin noch nie zuvor geritten, und der Aufstieg zum See im Paramo ist in eine Richtung allein ein fünfstündiger Ritt in alpinem Gelände,eigentlich nichts für Anfänger und sehr anstrengend.
Jedoch war es schlussendlich wirklich einer der inspirierendsten Ausflüge meines Lebens. Nicht nur habe ich nochmal einen Ausflug in eines der einzigartigsten Biotope gemacht, sondern auch wirklich das Leben der Leute kennengelernt, die im "El país de la niebla" leben.
Nach dem mehrtägigen Trip habe ich mich wieder intensiv mit meinen Arbeiten in der Residenz auseinandergesetzt und alle meine offenen Projekte abgeschlossen.
Außerdem hatte ich die Chance, eine Critical Response Process (CRP) mit 15 Personen zu meinen Arbeiten durchzuführen. Der CRP ist eine strukturierte Methode, um konstruktives Feedback zu kreativen Arbeiten zu geben und zu erhalten.
Es war wirklich eine einzigartige Gelegenheit, dass so viele professionelle Künstler aus verschiedenen Bereichen sich stundenlang mit meiner Arbeit befassten und konstruktive Kritik und Inspiration gaben.
Dies hat mich enorm weitergebracht, da ich normalerweise meine persönlichen Arbeiten nicht so offen präsentiere.
In meiner Zeit dort konnte ich fast 20 verschiedene visuelle Arbeiten erstellen, intensiv an einer Filmidee für mein Diplom arbeiten und in der hauseigenen Bibliothek viele Bücher lesen.
Ich habe noch nie über einen so langen Zeitraum so kreativ mit mir selbst und anderen Künstlern arbeiten können, und ich denke wirklich, dass es eine einzigartige Möglichkeit in unserer schnelllebigen Gesellschaft ist, an einen so abgelegenen Ort zu gehen und die Zeit und den Raum zu haben, um sich damit zu beschäftigen.
Nach meiner insgesamt viermonatigen Künstlerresidenz verbrachte ich noch einen weiteren Monat in der Hauptstadt Bogotá, um Museen zu besuchen, Salsa zu lernen und die Stadt zu erleben.
Dabei wohnte ich in einer wunderschönen Wohnung in La Candelaria, dem ältesten Teil der Stadt, wo es viele Bibliotheken, Museen und Cafés gibt. Während dieser Zeit habe ich mich viel mit den Freunden getroffen die ich in Kolumbien gemacht habe.
Außerdem nutzte ich die Gelegenheit, über meine Erfahrungen und über meine Zeit nachzudenken.
Alles im Allem muss ich sagen das langfristige eintauchen in lokale Kultur hat es mir ermöglicht ein tieferes Verständnis von Nachhaltigkeit und Gemeinschaft zu bekommen.
Diese Reise hat mir verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen, um sich auch in entlegenen Orten intensiv mit Kunst, Natur und Gemeinschaft zu beschäftigen.
Für mich ist es weit wertvoller, sich länger in die Gesellschaft zu integrieren, als nur als Tourist für ein oder zwei Wochen viele Orte zu besuchen.
Ich habe gelent das man sich Zeit nehmen muss um sich selbst und anderen zuhören. Erst dann kann man eine tiefere Verbindung zu den Menschen und zur Welt um sich herum aufbauen und sich selbst für Veränderungen öffnen.