Stipendiatin Charlotte Rösel
Charlotte Rösel studiert Psychologie mit interkulturellem Schwerpunkt im Master an der Universität Osnabrück und wurde bezüglich ihres bevorstehenden Auslandsaufenthalts für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2021 auserwählt. Außerhalb des Studiums engagiert sie sich ehrenamtlich seit sieben Jahren bei der Otto-Benecke Stiftung, die geflüchtete junge Menschen auf ihrem Weg zum Hochschulstudium unterstützt.
Im Rahmen eines Auslandssemesters wird sie ein Forschungspraktikum an der Medizinischen Universität Wien am Zentrum für Public Health absolvieren. Ihren Fokus möchte Charlotte auf sozialpolitische und gesellschaftsrelevante Themenfelder legen und sich vor allem mit der gesundheitlichen Versorgung diskriminierter Gruppen beschäftigen. Dabei geht es ihr speziell darum, besondere Bedürfnisse von LGBTQ+, geflüchteten und von Rassismus betroffenen Personen zu erfassen und sie in Folge in psychotherapeutische oder präventive Angebote einzubetten.
Wir sind gespannt auf ihre Berichterstattung!
Halbzeitbericht
Im September bin ich in Wien angekommen und wurde dem Forschungsteam am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien vorgestellt. Da ich sehr herzlich und offen empfangen wurde, wurde mir der Einstieg sehr leicht gemacht.
Zu Beginn musste ich mich erst einmal mit den beiden EU geförderten, laufenden Forschungsprojekten bekannt machen und wurde direkt in die Arbeit eingebunden. Meine erste Aufgabe bestand im Transkribieren aufgenommener Interviews für das CANCERLESS Projekt. In dem Projekt geht es um darum, ein länderübergreifendes Krebspräventionsprogramm für wohnungs- und obdachlose Personen zu entwickeln. Die Einblicke, die ich direkt zu Beginn des Praktikums durch die Interviews erhalten habe, haben meinen Blick auf Wohnungs- und Obdachlosigkeit sensibilisiert und mein Bewusstsein für damit verbundene Stigmata und Probleme geschärft.
Auch der Einstieg in das WE-Projekt (Promote Work-Based Equality for LGBTIQ+ Youth) fiel mir nicht schwer, da ich mich mit damit verbundenen Themen bereits vor dem Praktikum verstärkt auseinandergesetzt hatte. Zunächst erhielt ich die Aufgabe die sozialen Plattformen (Twitter, Instagram) des Projektes zu betreuen. Der Fokus lag dabei darauf, Informationen zu aktuellen Workshops und den Forschungsstand mit der Öffentlichkeit zu teilen. Nach einigen Wochen der Mitarbeit wurde mir die Chance gegeben an einem wissenschaftlichen Paper mitzuschreiben. Dafür habe ich mich mit den quantitativen Daten der Studie vertraut gemacht und mich vertieft in den theoretischen Hintergrund eingearbeitet.
Anfang Dezember sind wir dann mit dem Team nach Brüssel gereist und haben bei der Ständigen Vertretung Österreichs in der EU eine Abschlussveranstaltung ausgerichtet, die live online übertragen wurde. Hier wurden alle qualitativen sowie quantitativen Ergebnisse präsentiert und die entwickelte Lernplattform zu LGBTIQ+ Diskriminierung am Arbeitsplatz beworben. Mein aktueller Arbeitsauftrag besteht nun darin, die Lernplattform zu überarbeiten und Verbesserungsvorschläge umzusetzen, die in den Workshops durch Teilnehmende angebracht wurden.
Auch außerhalb des Praktikums fühle ich mich in Wien sehr angekommen und zuhause. Vor allem meine familiäre WG und die Nähe zu langjährigen Freund*innen in der Stadt tragen dazu bei. Ich nutze das kulturelle Angebot in Wien soweit es mit der aktuellen COVID Situation möglich ist und genieße es, wieder ins Theater oder auf kleine Konzerte gehen zu können. Wien bietet mir den perfekten Rahmen mir neue Themen zu erschließen, meinen beruflichen Werdegang nach Abschluss meines Studiums zu konkretisieren und bereichernde Kontakte zu knüpfen. Ab Januar werde ich einen Großteil meiner Praktikumszeit dann dem Planen und Erstellen meiner Masterarbeit widmen. Die Arbeit werde ich entweder mit Daten des WE-Projektes schreiben oder meine eigene Studie zu Diskriminierungserfahrungen von transgender und non-binären Personen in der Psychotherapie durchführen.
Mein Praktikum konnte ich glücklicherweise bis Mitte August verlängern, was mir ermöglicht, dem Wunsch einer selbst konzipierten Studie für die Masterarbeit nachzugehen und länger im Forschungsteam eingebunden zu sein. Die finanzielle Unterstützung des Vacasol Global Engagement Stipendiums hat den Einstieg in Wien deutlich erleichtert, dafür möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken.
Abschlussbericht
Seit kurzer Zeit steht fest, dass ich mein Forschungspraktikum noch bis Mitte August verlängern und in diesem Zeitraum meine Masterarbeit schreiben kann. Innerhalb der letzten Wochen habe ich mich deshalb darauf konzentriert, das Projekt für meine Masterarbeit zu planen, dafür einen Ethikantrag zu erstellen und die Rahmenbedingungen der Betreuung an meiner Fakultät der Universität Osnabrück zu klären.
In meinem qualitativen Forschungsprojekt soll es darum gehen, Bedürfnisse für die Bereitstellung eines affirmativen und unterstützenden psychotherapeutischen Angebotes für transgender und/oder nichtbinäre Personen zu erfassen. Den Ethikantrag werde ich im Laufe des Monats einreichen und nach einer positiven Rückmeldung beginnen. Da das Thema eine starke Selbstreflexion und Einarbeitung voraussetzt, nutze ich aktuell die Zeit mich immer weiter zu informieren, Literatur zu recherchieren, entsprechende Bücher zu lesen und mich auszutauschen.
Für das Vorbereiten meiner Masterarbeit gehe ich aktuell regelmäßig in die Nationalbibliothek, die durch die hellen Räume eine angenehme Arbeitsatmosphäre schafft. Abends dann aus dem Gebäude heraus auf den Held:innenplatz zu kommen, ist außerdem immer ein schöner Ausblick am Ende eines langen Tages.
Neben der Vorbereitung meiner Masterarbeit haben mein Praktikumsleiter Dr. Igor Grabovac und ich uns mit dem EU-geförderten WE-Projekt für einen Diversitätspreis beworben. Das Projekt wurde in Kooperation mit Akteur*innen aus verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt und arbeitet gegen die Diskriminierung von LGBTIQ+ jungen Erwachsenen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Wir wurden mit dem Veronika-Fialka-Diversitätspreis der Medizinischen Universität Wien im Bereich „Engagement“ ausgezeichnet.
In meiner Freizeit gehe ich zur Zeit gerne zum Sport im Park. Zweimal wöchentlich wird im Freien eine Sportstunde angeboten, an der man ohne Anmeldung und mit einer Spende teilnehmen kann. Ich habe außerdem nach und nach Möglichkeiten kennengelernt, wie man sich in Wien (politisch) engagieren kann und freue mich, auch darüber noch einmal neue Leute kennenzulernen. Ansonsten freue ich mich sehr auf den Frühling und die warmen Tage in Wien, wenn man nachmittags zum Schwimmen in die Donau springen und alle Wege ohne zu frieren mit dem Fahrrad zurücklegen kann.
Das Praktikum hat mir einen umfassenden Einblick in einen interdisziplinären Forschungsbereich gegeben und mein Interesse in diesem Bereich auch nach dem Abschluss meines Studiums zu arbeiten gestärkt. Auch in der Stadt fühle ich mich weiterhin sehr wohl und ich kann mir vorstellen, für meinen Jobeinstieg in Wien zu bleiben. Ich habe enge Freund*innenschaften geknüpft und bin froh mich für den Aufenthalt in Wien entschieden zu haben.
Dennoch freue ich mich auch, wenn ich im kommenden Semester durch ein online Kolloquium wieder etwas stärker mit Kommiliton*innen meines Studienganges der Universität Osnabrück in Kontakt komme, bevor meine Studienzeit dann beendet ist. Ich möchte mich noch einmal herzlich für die finanzielle Förderung meines Auslandsaufenthaltes durch Vacasol bedanken, die mir den Einstieg in Wien erleichtert hat.