Stipendiatin Anna Maria Fink

Anna Maria Fink studiert Internationale Soziale Arbeit an der Fachhochschule Erfurt und wurde bezüglich ihres bevorstehenden Auslandsaufenthalts für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2021 auserwählt. Sie wird für drei Monate nach Bosnien und Herzegowina (BiH) gehen und im Post-Conflict-Research-Center (PCRC) einen Praxisaufenthalt absolvieren, um empirische Daten für eine international sozialarbeiterische Frage zu eruieren. Dabei wird sie sich mit einer gesellschaftlichen Aufarbeitung des Jugoslawienkrieges in BiH, Kroatien und Serbien auseinandersetzen. Dies beinhaltet beispielsweise pädagogische Friedensarbeit und –erziehung in der Gesellschaft, sowie die Wiederherstellung und Unterstützung der interethnischen Beziehungen. Da es ein sehr aktuelles Thema ist, möchte Anna Maria ihre Masterarbeit in diesem Themenfeld schreiben und dadurch den Forschungsstand mit den Perspektiven erweitern, die sie nicht nur durch ihre vorhandenen bosnischen und kulturellen (Sprach)-Kenntnisse im Land, sondern vor allem durch die Professionalität der Praxisstelle erlangen kann.

Wir sind gespannt auf ihren Bericht!

Halbzeitbericht

Mein Name ist Anna Maria Fink, ich bin 25 Jahre alt und studiere im Master „Internationale Soziale Arbeit“ in Erfurt. In meinem Studium ist ein Auslandssemester verpflichtend, um Daten für die Masterthesis zu erheben.
Seit dem 01.09.2021 befinde ich mich in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina). Ich absolviere hier mein Praktikum im größten Forschungsinstitut auf dem Balkan dem „Post-Conflict-Research Center".

Das 2010 gegründete Post-Conflict Research Center macht sich zum Ziel ein förderliches Umfeld für einen nachhaltigen Frieden zu schaffen und vor allem die Wiederherstellung der interethnischen Beziehungen in Bosnien-Herzegowina zu erleichtern. Die Expertise des Forschungszentrums besteht aus innovativen Multimediaprojekten und kreativen Lehrplänen, die Kinder und Jugendliche dazu bringen dauerhafte Toleranz, gegenseitiges Verständnis und sozialen Aktivismus in der Westbalkanregion zu fördern. Die Gesamtaufgabe des Zentrums besteht darin, ein robustes Netzwerk aufzubauen das jüngere Generation, die den Jugoslawienkrieg nicht miterlebt haben, aber mit den Konsequenzen leben müssen, mit übertragbaren Fähigkeiten und Ressourcen befähigt, eine allumfassende Friedenskultur unter den vielen ethnischen Gruppen des Landes zu verbreiten. Die Gesamtstrategie des Post-Conflict Research Centers umfasst sechs Kernarbeitsbereiche: Kreatives Multimedia, Prävention von Völkermord, Massengräueltaten und gewalttätigem Extremismus, Friedenserziehung in der bosnischen Gesellschaft, Schaffung einer Übergangsjustiz und die Post-Konfliktforschung-/Beratung.
Zudem hat das Post-Conflict-Research Center eine Online-Plattform, die sich Balkan-Diskurs2 nennt, welche ein regionales Netzwerk von jungen JournalistInnen darstellt und die darauf abzielt den Mangel an objektiven und alternativen Medien zu bekämpfen. Die Plattform bietet einen zensurfreien Raum, um Meinungen und Analysen der Bevölkerung zu aktuellen Themen in der Balkanregion zu veröffentlichen.

Mein Arbeitsalltag beginnt um 09:00 Uhr und endet um 17:00 Uhr. Meine Aufgaben im Praktikum sind vielfältig. Zum einen bestehen meine Aufgaben darin bestimmte Informationen für das Forschungszentrum zu recherchieren und dazu einen Artikel oder ein Paper zu verfassen. Beispielsweise eröffnet das Forschungszentrum im November 2021 eine Ausstellung in Sarajevo zur Thematik Waisenkinder. Aus diesem Grund sollte ich die Situation von Waisenkindern vor, während und nach dem Jugoslawienkrieg recherchieren, Interviews dazu führen und diese Ergebnisse in einem fünfseitigen Paper festhalten. Zum anderen lässt mir das Forschungszentrum im Praktikum aber auch sehr viel Freiraum. Ich bekomme durch das Forschungsinstitut einen Einblick in die heutige Politik und Regierung Bosnien-Herzegowinas, aber auch in die Geschichte dieses interessanten Landes. Ich darf zu den Dingen, die mich am meisten interessieren, forschen oder einen Artikel veröffentlichen. Auch im Hinblick auf meine Masterarbeit stellt das Forschungsinstitut eine große Stütze für mich dar, da ich meine Masterthesis im Hinblick auf den Jugoslawienkrieg schreiben möchte und in der Themenfindung viele Anregungen, Tipps und Tricks bekomme.

Ansonsten genieße ich das Leben hier in Sarajevo. Die Stadt ist sehr geschichtsträchtig und meiner Meinung nach ein Museum für sich. Durch die kleinen Gassen und über die geschichtsträchtigen Plätze Sarajevos zu laufen ist beeindruckend und macht Spaß. Die Stadt kann ich für einen Auslandsaufenthalt sehr empfehlen, da sie zudem sehr international ist. Trotz der Corona-Pandemie finden hier viele Veranstaltungen statt und es ist leicht Anschluss zu finden.

Abschlussbericht

Allgemeines

Mein Name ist Anna Maria Fink, ich bin 25 Jahre alt und studiere im Master „Internationale Soziale Arbeit“ in Erfurt. In meinem Studium ist ein Auslandssemester verpflichtend, um Daten für die Masterthesis zu erheben. Aus diesen Gründen entschied ich mich mein Auslandssemester in Bosnien-Herzegowina (BiH), Sarajevo zu absolvieren, da mein Forschungsschwerpunkt der Jugoslawienkrieg und seine Folgen für Sozialarbeiter*innen ist. Ich befand mich vom 01.09.2021 bis 01.12.2021 in Sarajevo. Hier absolvierte ich mein Praktikum im größten Forschungsinstitut auf dem Balkan dem „Post-Conflict-Research Center“(PCRC). Da ich aufgrund des allgegenwärtigen Klimawandels das Fliegen vermeide, bin ich mit dem Auto von Frankfurt aus nach Sarajevo gefahren. Mit mehreren Pausen an der kroatischen Küste, als auch in Slowenien war die etwa 15-stündige Fahrt sehr erträglich und eine Urlaubsreise, die ich nicht missen möchte und weiterempfehlen würde. Der Balkan hat viele sehenswerte Ecken, die mit einer Autofahrt hervorragend gesehen werden können.

Auto

Praktikumsstelle

Das 2010 gegründete Post-Conflict Research Center macht sich zum Ziel ein förderliches Umfeld für einen nachhaltigen Frieden zu schaffen und vor allem die Wiederherstellung der interethnischen Beziehungen in BiH zu erleichtern. Die Expertise des Forschungszentrums besteht aus innovativen Multimediaprojekten und kreativen Lehrplänen, die Kinder und Jugendliche dazu bringen dauerhafte Toleranz, gegenseitiges Verständnis und sozialen Aktivismus in der Westbalkanregion zu fördern. Die Gesamtaufgabe des Zentrums besteht darin, ein robustes Netzwerk aufzubauen das jüngere Generation, die den Jugoslawienkrieg nicht miterlebt haben, aber mit den Konsequenzen leben müssen, mit übertragbaren Fähigkeiten und Ressourcen befähigt, eine allumfassende Friedenskultur unter den vielen ethnischen Gruppen des Landes zu verbreiten. Die Gesamtstrategie des Post-Conflict Research Centers umfasst sechs Kernarbeitsbereiche: Kreatives Multimedia, Prävention von Völkermord, Massengräueltaten und gewalttätigem Extremismus, Friedenserziehung in der bosnischen Gesellschaft, Schaffung einer Übergangsjustiz und die Post-Konfliktforschung-/Beratung. Zudem hat das Post-Conflict-Research Center eine Online-Plattform, die sich Balkan-Diskurs nennt, welche ein regionales Netzwerk von jungen Journalist*innen darstellt und die darauf abzielt den Mangel an objektiven und alternativen Medien zu bekämpfen. Die Plattform bietet einen zensurfreien Raum, um Meinungen und Analysen der Bevölkerung zu aktuellen Themen in der Balkanregion zu veröffentlichen.

Mein Arbeitsalltag begann um 09:00 Uhr und endet um 17:00 Uhr. Meine Aufgaben im Praktikum waren vielfältig. Zum einen bestanden meine Aufgaben darin bestimmte Informationen für das Forschungszentrum zu recherchieren und dazu einen Artikel oder ein Paper für Balkan Diskurs oder Forschungszwecke zu verfassen. Beispielsweise eröffnete das Forschungszentrum im November 2021 eine Ausstellung in Sarajevo zur Thematik Waisenkinder. Aus diesem Grund sollte ich die Situation von Waisenkindern vor, während und nach dem Jugoslawienkrieg recherchieren, Interviews dazu führen und diese Ergebnisse in einem zehnseitigem Paper festhalten. Zum anderen lässt mir das Forschungszentrum im Praktikum aber auch sehr viel Freiraum. Ich bekomme durch das Forschungsinstitut einen Einblick in die heutige Politik und Regierung BiHs, aber auch in die Geschichte dieses interessanten Landes. Ich durfte zu den Dingen, die mich am meisten interessieren, forschen oder einen Artikel veröffentlichen. Auch im Hinblick auf meine Masterarbeit stellt das Forschungsinstitut eine große Stütze für mich dar, da ich meine Masterthesis im Hinblick auf den Jugoslawienkrieg schreiben möchte und in der Themenfindung viele Anregungen, Tipps und Tricks bekomme.

Das Kernteam des Forschungsinstitutes besteht aus vier Forscher*innen. Alle drei Monate werden neue Praktikant*innen auserwählt, die aus der ganzen Welt stammen. Die Arbeitshierarchien waren flach. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit meinen Arbeitskolleginnen als auch meinen Vorgesetzten ein Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe hatte, was für mich ein angenehmes Arbeitsklima schuf. Ich habe mit weiteren sieben Praktikantinnen arbeiten dürfen, die alle zum Jugoslawienkrieg entweder ihre Masterarbeit oder Doktorarbeit verfasst haben und aus den USA, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Serbien, Österreich und Deutschland kamen. Die Internationalität in meinem Team war nicht nur für Forschungszwecke ein großer Gewinn für mich, sondern vor allem auch für interkulturelle Zwecke. Es war unglaublich interessant zu merken, dass zum einen die Forschung des Jugoslawienkrieges weit über die Grenzen des Balkans hinaus gehen und zum anderen war es eine wertvolle Erfahrung zu merken und sehen, wie Forschungsweisen sich von Land zu Land unterscheiden.
Auch interkulturell hat mir das Praktikum viel gebracht. Ich durfte neben dem Wissen über den Jugoslawienkrieg vor allem auch kulturelle Unterschiede in Lebensweisen und Sichtweisen über bestimmte Thematiken miterleben, was mir neue Einblicke auf unterschiedliche Themenkomplexe gegeben hat. Das PCRC arbeitet vor allem auch mit internationalen Organisationen, wie dem Max-Planck Institut oder der Friedrich-Ebert Stiftung, aber auch den Vereinten Nationen als auch Universitäten auf der ganzen Welt. Hierdurch kann die Arbeit des Forschungsinstitutes über die Grenzen des Balkans hinausreichen, was wichtig ist für alle Menschen, die durch den Jugoslawienkrieg in Länder geflüchtet sind, die außerhalb des Balkans liegen.

Geographische Lage / Klima

BiH liegt im westlichen Teil der Balkaninsel. Das Land ist von Kroatien, Serbien, Montenegro und einem kleinen Teil der Adriaküste umgeben. Das Land wird geographisch in Bosnien (im Norden) und in Herzegowina (im Süden) geteilt. Diese Teilung entstand vor vielen Jahren, ist aber auch geographisch sichtbar. Die Natur unterscheidet sich, indem in Bosnien sehr viele Waldflächen, Flüsse, Seen und Berge die Natur kennzeichnen, wobei in Herzegowina die Naturlandschaft eher steinig und kahl wirkt. BiH durchquert eine lange Gebirgskette, welche das Dinarische Gebirge genannt wird – also ein Paradies für Wander*innen und Menschen, die sich gerne in der Natur aufhalten. Die höchsten Berge BiHs erreichen eine Höhe von 2400 Metern. BiH ist für mich eines der schönsten Länder, die ich bereisen durfte. Die Landschaft ist meiner Meinung nach traumhaft schön, naturbelassen und noch sehr untouristisch, sodass bei Wanderungen und Spaziergängen durch die Natur oftmals Wildpferde, Bären und sogar Wölfe gesehen werden können. BiH hat demnach von kristallklaren Seen und einem glasklaren Meer, zu naturreinen Flüssen, als auch Wäldern und Bergen, alles in einem Land zu bieten.

In BiH herrscht mediterranes und kontinentales Klima. Die Winter können sehr kalt werden und Temperaturen bis zu −20 Grad Celsius sind keine Seltenheit. Die Sommer sind aufgrund der Lage des Landes überwiegend sehr heiß und trocken. Während meines Aufenthaltes in Sarajevo hatte es bis Oktober noch bis zu 15 Grad Celsius, währenddessen es im November nachts schon Minusgrade hatte und es tagsüber sehr kalt war.

Wohnverhältnisse

Ich habe in Sarajevo im Stadtzentrum in einer kleinen Wohnung gelebt, die auf einem Hof einer Großfamilie lag. In BiH ist es keine Seltenheit, dass Großeltern mit Kindern, Enkelkindern und Schwager bzw. Schwägerin in einem Haus mit Hühnern, Hunden, Katzen und sonstigen Tieren leben. Meine Wohnung lag auf einem großen Grundstück und gehörte mit zum Familienhaus, wodurch ich das bosnische Familienleben miterleben durfte, aber auch gleichzeitig meine Ruhe in der eignen Wohnung finden konnte. Ich wurde sehr herzlich von der Familie aufgenommen und bei egal welchen Fragen stand mir die gesamte Familie mit Rat und Tat zur Seite. Wenn einmal zu viel gekocht wurde und meine Vermieterin sah, dass ich erst sehr spät von der Arbeit nach Hause kam, brachte sie mir oft Essen vorbei. Die bosnische Kultur und Gastfreundlichkeit sind sehr warm, herzlich, echt und authentisch. Das Wohnen bei dieser Großfamilie hat nicht nur meinen kulturellen Horizont erweitert, sondern damit habe ich auch eine neue Familie in mein Leben gewonnen, was ich sehr zu schätzen weiß.

Sarajevo eine spannende und sehr geschichtsträchtige Stadt. Die Stadt besteht aus vielen beeindruckenden Museen, die vom Leben während des Jugoslawienkrieges erzählen und Mahn-/Denkmäler, die an die Opfer des Krieges erinnern sollen. Wenn ich durch die Gassen und Straßen Sarajevos laufe, fühle ich mich wie in einem riesigen, aufregenden Museum. Denn Sarajevo ist gezeichnet vom Krieg, was bis heute deutlich zu sehen ist: Beschädigte Hauswände durch Maschinengewehreinschüsse, zerbombte Wohnungen und eingeschlagene Fenster, die bis heute nicht renoviert wurden und Granateneinschläge in Straßen und auf wichtige Gebäude charakterisieren das Stadtbild. Trotz dieses tristen Stadtbildes hat es nicht lange gedauert bis ich mich in Sarajevo wohl, sicher und willkommen gefühlt habe. Das resultiert daraus, dass sich die Atmosphäre hier sehr warm, herzlich und offen anfühlt. In der Stadt findet man viele kleine Stände von Einheimischen, die ihren hausgemachten Honig, Käse oder ihre Marmelade verkaufen und dich von allem probieren lassen. Die Innenstadt, genannt Baščaršija, ist ein buntes Puzzle (und Zungenbrecher [Baschtscharschija]) für sich. Die Baščaršija besteht aus vielen winzigen Gassen, in denen die Menschen arbeiten, essen, einkaufen, Kaffee trinken und das Leben genießen. Zudem wird Sarajevo manchmal als „kleines Jerusalem“ bezeichnet. Die Innenstadt mit katholischen und orthodoxen Kirchen, Synagogen und Moscheen in unmittelbarer Nähe zueinander ist der beste Beweis für diesen Spitznamen. Es ist ein herrliches Erlebnis, die Kirchenglocken läuten zu hören, während gleichzeitig der Gebetsruf gesungen wird. Das Zusammentreffen von vier großen Religionen auf einer Fläche von hundert Quadratmetern macht das Leben hier multikulturell, liebevoll, spannend, aber vor allem offen. Die Religionen leben hier seit Jahrhunderten schon neben- und miteinander. Dennoch wurde das Zusammenleben der Ethnien in den 90er Jahren nicht nur in Sarajevo, sondern in ganz BiH auf die Probe gestellt und ist bis heute ein sensibles Thema.

kaputtes Sarajevo
kaputtes Sarajevo

Noch 1984, zu Jugoslawienzeiten, wurde Sarajevo, als Schauplatz der Olympischen Winterspiele für seine Vielfalt gefeiert. Doch nur wenige Jahre später begann der Zerfall Jugoslawiens: Der Jugoslawienkrieg begann mit der Erklärung der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens von Jugoslawien 1991 und sollte weitere blutige acht Jahre andauern. Auch Bosnien-Herzegowina strebte nach der Abspaltung von Jugoslawien, was zu Anspannung zwischen den drei größten ethnischen Gruppen – muslimischen BosniakInnen, bosnischen SerbInnen und bosnischen KroatInnen – führte. Während die bosniakisch-muslimische und die kroatische Bevölkerung der Teilrepublik die Unabhängigkeit befürworteten, lehnte die Mehrheit der bosnischen SerbInnen sie dagegen ab. Es wurde im November 1991 von den bosnischen Serben ein Referendum abgehalten, bei dem sie mit großer Mehrheit den Verbleib Bosnien-Herzegowinas in Jugoslawien befürworteten. Der eskalierende Konflikt führte im Frühjahr 1992 zur Belagerung von Sarajevo. Bosnisch-serbische Truppen und Teile der Jugoslawischen Volksarmee zogen einen Belagerungsring um Sarajevo – der Beginn für die insgesamt 1425 Tage fortwährende Belagerung. Sie begann mit der Einnahme des Flughafens in Sarajevo durch die Jugoslawische Volksarmee Anfang April 1992 und endete im Februar 1996 durch das Eingreifen westlicher Staaten. Die Belagerung war mit 1425 Tagen die längste Belagerung im 20. Jahrhundert. Die Luftbrücke der NATO, die zur Versorgung von den eingeschlossenen Menschen aufrechterhalten wurde, dauerte länger an als die Berliner Luftbrücke. Für die Lebenssituation der damals knapp 400.000 StadtbewohnerInnen hatte die Belagerung enorme Folgen: Fast vier Jahre lang gab es weder Strom, Heizung noch ausreichend Lebensmittel. Viele Menschen verheizten deshalb in den kalten Winter ihren gesamten Besitz. Um Wasser zu holen, mussten sie oft Kilometer weit durch die Stadt laufen. Dabei konnte schon ein einfacher Gang aus dem Unterschlupf lebensgefährlich werden: In den Bergen rund um Sarajevo und in den Hochhäusern versteckten sich serbische Scharfschützen und griffen die BewohnerInnen Sarajevos mit Maschinengewehren und Granaten an. Bekannt wurde in diesem Zusammenhang eine Hauptstraße in Sarajevo als "Sniper Alley". 35.000 Gebäude in Sarajevo wurden während des Krieges zerstört und nahezu alle restlichen mehr oder weniger beschädigt, darunter Krankenhäuser, Nachrichtenzentren, Industrieanlagen, Regierungsgebäude und die Nationalbibliothek mit tausenden unersetzlichen Werken, die nach gezieltem Beschuss niederbrannte. Der am stärksten zerstörte Stadtteil in Sarajevo heißt Grbavica, bei dem bis heute die Ausmaße der Brutalität des Krieges deutlich erkennbar ist. Laut Angaben des Berichtes der Vereinten Nationen wurden während der Belagerung 13952 Menschen (darunter 1.600 Kinder) getötet und 56.000, teilweise schwer, verletzt. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden während des Krieges in die Flucht getrieben.

Aufgrund dessen wurden einige sehenswerte Museen, die sich rund um die Belagerung Sarajevos und den Krieg im Allgemeinen drehen in Sarajevo erbaut. Die Galerie „11/07/95“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass durch Kunst Gefühle, Emotionen und Situationen teilweise passender ausgedrückt werden können, als es Worte und Sätze jemals tun können. Das „Historical Museum of BiH“, „Museum of Crimes against Humanity and Genocide 92-95“, aber auch das „Tunel of Hope Museum“ sind alles Orte, an denen der Alltag im Krieg festgehalten und erzählt wird. Den Einblick in den Kriegsalltag, der durch die die Museen vermittelt wird, ist eindrucksvoll und lehrreich. Mein absolutes Lieblingsmuseum jedoch ist das „War Childhood Museum“. In diesem unscheinbaren Museum sind greifbare Erinnerungen von Kinder aus dem Krieg ausgestellt. Das sind alltägliche Sachen wie Buchstaben, Tagebücher, Briefe, Kleidungsstücke oder Spielzeug und die dazugehörige Geschichte. Das Museum ist für mich besonders, weil es herausstellt, wie unabdingbar das Zusammensein, Spielen, Aufwachsen und in die Schule gehen für Kinder in Krisenzeiten ist. Das ist für mich als Pädagogin natürlich sehr spannend - gerade im Hinblick auf die Corona-Situation und die längeren Schulschließungen auf der gesamten Welt!

Kultur / Essen

Die bosnische Kultur definiert sich unter anderem über das Essen. Dementsprechend wird viel Zeit mit Essen und vor allem Kaffee trinken verbracht. In BiH trifft man sich immer „auf einen Kaffee“ (auf Bosnisch: „Idemo na kavu.“). Dies kann bedeuten, dass man zum anderen nach Hause eingeladen wird, dass man sich im Café trifft, aber auch abends auf ein Glas Wein oder Bier trifft. Das bosnische Essen ist sehr vielfältig, aber vor allem fleischlastig. Eine Mahlzeit ohne Fleisch ist hier keine „richtige“. Dementsprechend müssen Menschen, die sich vegetarisch bzw. vegan ernähren oftmals länger suchen, bis sie ein Essen ohne tierische Produkte in BiH finden – es ist jedoch nicht unmöglich!

Die Landesküche hat viele Spezialitäten zu bieten, z. B. Bosnanski Lonac (ein Eintopf aus drei verschiedenen Fleischsorten), Čevapćići (gegrillte Fleischrollen), Pita (gefüllte Teigtaschen aus Gemüse, Obst oder Fleisch, Sarma (gefüllte Kohlrouladen), Lokum (süße Würfel aus Pistazien, Honig oder Rosenwasser) oder Baklava (süßes Teiggebäck). Zur bosnischen Kultur gehört vor allem aber auch die unterschiedlichen Schnapssorten (Rakija und Šlivovic) dazu, die meist in der Familie selbstgebrannt werden.

Sehenswürdigkeiten

In meinen drei Monaten hatte ich die Möglichkeit am Wochenende weitere Städte in BiH zu besuchen. Mostar, Neum, Livno, Lukomir, Srebrenica aber auch Tuzla und Doboj sind sehenswert und von einer unglaublich schönen Landschaft gezeichnet. Auch die Kravica Wasserfälle als auch die Skakavac Wasserfälle im Herzen BiHs waren absolute Highlights für mich, die mich sehr bereichert haben.

Livno
Livno

Derzeitige politische Situation / Religionen

BiH ist zwar durch das Dayton Friedensabkommen nach dem Jugoslawienkrieg ein souveräner Staat geworden, wurde jedoch auch zur Patchworkfamilie. Denn, um alle beteiligten Parteien zufrieden zu stellen wurde BiH in zwei Entitäten geteilt: zum einen der Föderation Bosnien und Herzegowina (51% des Landes) und der Republika Srpska (49% des Landes). Außerdem liegt der Distrikt Brčko zwischen den beiden Entitäten, der als Sonderverwaltungsgebiet fungiert. Laut einer 2013 durchgeführten Volkszählung leben in der Förderation Bosnien und Herzegowina fast ausschließlich 70% bosnische MuslimInnen und 22% katholische KroatInnen. Währenddessen in der Entität Republika Srpska fast ausschließlich die orthodoxen SerbInnen mit etwa 81% leben.

Bei einer Bevölkerung, die kleiner ist als die der Stadt Berlin existieren insgesamt 14 unterschiedliche Parlamente, 147 Minister und etwa 700 ParlamentarierInnen, die sich in das politische bosnische Geschehen einmischen. Wenn Sie denken, dass es in Deutschland ein großes politisches Spektrum gibt, dann täuschen Sie sich, denn in BiH mischen 148 registrierte politische Parteien im politischen Geschehen mit. Doch als wäre das nicht genug spiegelt sich das Politikgeschehen nicht nur auf Staatsebene, Landesebene (was hier die Entitätenebene ist) und Gemeindeebene ab, sondern auch auf Kantonebene. Denn die Entität Föderation Bosnien und Herzegowina ist nochmals in zehn Kantone eingeteilt.
Die Entitäten verfügen über mehr Befugnisse als die schwache Zentralregierung, die von einer rotierenden dreigliedrigen Präsidentschaft und einem Ministerrat geleitet wird, der ebenfalls unter den drei "konstituierenden Völkern" aufgeteilt ist. Die drei Präsidenten stehen jeweils für eine der drei Bevölkerungsmehrheiten in BiH. Šefik Džaferović ist der derzeitige bosniakische Präsident, Milorad Dodik der aktuelle serbische und Željko Komšić der jetzige kroatische amtierende Präsident. Die Präsidenten werden alle vier Jahre gewählt und rotieren alle acht Monate. Seit Juli 2021 präsentiert der bosnische Präsident Željko Komšić das Präsidententrio für die nächsten acht Monate. Der bosnische und kroatische Präsident kann nur von den BewohnerInnen aus der Föderation Bosnien und Herzegowina gewählt werden, währenddessen BewohnerInnen in der Republika Srpska nur den serbischen Präsident wählen können. Es können nur Entscheidungen getroffen werden, die von allen drei Präsidenten zugestimmt werden. Um eine Veränderungsvorschlag durchzuziehen, braucht es zudem eine 2/3 Mehrheit in der Regierung.

BiH ist ein politisch und ethnisch getrenntes Land. Eine Mehrheit der Bewohner*innen des Landes fühlt sich weniger mit dem Land, sondern mit ihrer Religion zugehörig, die einer bestimmten Ethnie zugeschrieben ist. Aufgrund dessen und in Anbetracht der Konstituierung und Etablierung der bosnischen Regierung wird außerdem anschaulich, dass Religion eine bestimmende Rolle in der Politik spielt.

Bei einem solch komplizierten und undurchsichtigen politischen System ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der BewohnerInnen BiHs mit der politischen Situation unzufrieden und unglücklich ist, die zudem durch eine hohe Korruptionsrate geprägt ist. Dass eine Gesetzesänderung-/vorschlag in diesem unüberschaubaren und verzwickten politischen System durchgesetzt wird, gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich. Dies hat zur Folge, dass wenige Menschen motiviert genug sind, wählen zu gehen. Im Jahre 2018 hatte ganz BiH eine Wahlbeteiligung von nur 53% zu verzeichnen. Die politische Lage in BiH ist so angespannt wie seit dem Jugoslawienkrieg nicht mehr.

Abschließende Reflexion

Die drei Monate in Sarajevo sind rasend schnell vergangen. Das ist für mich immer ein gutes Zeichen. Mein Auslandssemester hat in vielen verschiedenen Arten und Weisen meinen Horizont erweitert. Ich durfte durch das Forschungsinstitut, in dem ich ein Praktikum absolvieren durfte, mein Wissensrepertoir über die Folgen, Nachwirkungen, aber auch über Details des Jugoslawienkrieges erweitern. Durch meinen Forschungsaufenthalt und diverse Interviews, die ich führte, blieben die Folgen des Jugoslawienkrieges für mich nicht mehr theoretisch. Außerdem durfte ich einiges über den Bosnienkrieg im Allgemeinen lernen. Sichtweisen von Einheimischen trugen dazu bei, dass ich das gesamte erlernte Wissen kontextualisieren konnte. Besonders Gespräche mit Zeitzeug*innen haben mich dazu ermutigt mich nicht nur mit dem Thema in meiner Masterarbeit auseinanderzusetzen, sondern vor allem auch mich für eine Anerkennung dieses wichtigen Geschehens in unserer Geschichte, welches bis heute auf der ganzen Welt Auswirkungen hat, einzusetzen und dafür zu kämpfen, dass es mehr Aufmerksamkeit erhält. Zudem durfte ich kulturell über meinen bisherigen Tellerrand schauen. Ich konnte nicht nur die bosnische Kultur kennenlernen, sondern durfte auch in sie eintauchen und bekam durch herzliche Bekanntschaften das Gefühl, dass ich mich in ihr auch wohlfühlen darf und soll. Durch mein internationales Umfeld auf der Arbeit bekam ich die Chance viele neue Sichtweisen zu erlangen, die mich in meinen bevorstehenden Entscheidungen stärken und unterstützen werden.

Die Chance bekommen zu haben, all dies zu erfahren, hat mich charakterlich, sowie wissenschaftlich nicht nur geprägt, sondern auch weitergebracht. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir diese Zeit durch die finanzielle Unterstützung des Vacasol Global Engagement Scholarship ermöglicht wurde und bedanke mich recht herzlich für Ihre finanzielle Unterstützung.