Stipendiatin Alina Masoomi

Alina Masoomi studiert Umweltwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg und wurde bezüglich ihres bevorstehenden Auslandsaufenthaltes für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2023 auserwählt. Sie wird als Freemover nach Indonesien gehen und an der Universitas Gadjah Mada in Yogyakarta studieren.

Nachdem Alina sieben Jahre als Moderedakteurin gearbeitet hat, entschied Sie sich schließlich für einen Neuanfang: „Mein Interesse verschob sich von den aktuellen Trends der Mode zunehmend in Richtung der Akteure und Mechanismen dahinter und deren teils verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.“ Ein weiterer Antriebspunkt bildet ihr ehrenamtliches Engagement für den Verein bee4change und ihr dadurch entwickeltes Bewusstsein für die wachsende Notwendigkeit sozial gerechter Lösungen für Fluchtbewegungen.

Ihr Ziel ist es nun, die ökologischen Folgen des Klimawandels zu untersuchen, insbesondere im Kontext von Flucht und Migration. Im Rahmen ihres Auslandsaufenthalts möchte Alina somit ihr Verständnis für soziale Gerechtigkeit, Diskriminierung und die ökologischen und sozialen Komponenten des Klimawandels zu vertiefen.

Wir wünschen ihr viel Erfolg dabei und sind sehr gespannt auf ihren Bericht!

Halbzeitbericht über mein Auslandssemester an der Universitas Gadjah Mada in Yogyakarta, Indonesien

Yogyakarta liegt im Süden der Insel Java und bildet mit seinen fast 130 Universitäten, Fachhochschulen und Akademien das Bildungszentrum von Indonesien. Dabei ist die Universitas Gadjah Mada, an der ich von August bis Dezember mein Auslandssemester verbringe, die größte und älteste Institution des Landes. Die UGM, wie sie hier in Indonesien von vielen genannt wird, gilt als eine der führenden Universitäten in Indonesien und wird oft in den Top-Universitätsrankings weltweit gelistet. Daher war die Freude meinerseits sehr groß, als ich die Zusage erhielt, an dieser Uni ein Auslandssemester machen zu können. Anders als in Deutschland startet das Semester an der UGM bereits Mitte August. Etwa 400 Austauschstudierende aus aller Welt werden am ersten Tag im Auditorium mit traditionellem indonesischem Tanz und Musik, die Gamelan genannt wird, begrüßt. Die Größe des Campus ist ziemlich überwältigend, denn neben 18 Fakultäten und 23 Forschungszentren, gehören ein eigenes Sportstadion, ein Tennisplatz, ein großer Park und mehrere Studentenwohnheime dazu. Zum Glück gibt es nicht nur einen Campusbus, sondern auch Fahrräder, die Studierende kostenlos ausleihen können, um auf dem Gelände von einem Ort zum anderen zu kommen.

Mein Studiengang „International Relations“, der in der Fakultät für Soziologie und Politikwissenschaften angesiedelt ist, bietet ein sehr breites Angebot an Kursen. Neben eher konventionellen Einführungsseminaren und klassischer Politikfeldanalyse sind auch Seminare wie „Gender and Politics“ Teil des Curriculums, in dem feministische und queere Perspektiven und Methoden gelehrt werden. Dabei geht es darum aufzuzeigen, welche Rolle Geschlecht und Geschlechterdynamiken bei der Analyse von internationaler Politik spielen. Sie hinterfragen nicht nur die patriarchalen Normen und Institutionen, die Geschlechterungleichheiten in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen auf nationaler und internationaler Ebene aufrechterhalten, sondern wollen gleichzeitig binäre Kategorien aufbrechen. In meinem Seminar „Ethnic Conflict“ lernen wir nicht nur verschiedene Theorien und Konzepte zu Ethnizität und Friedenskonsolidierung kennen, sondern wenden diese in verschiedenen Case Studies direkt an. Dabei geht es über eine klassische Analyse hinaus. Vielmehr versuchen wir im Seminar auch Ansätze und Strategien zu entwickeln, wie man mit unterschiedlichen Konflikten umgehen kann.

Neben diesen neuen inhaltlichen Perspektiven hinaus lerne ich auch ungewöhnliche Lehrmethoden kennen. Die Art und Weise, wie Inhalte vermittelt werden, ist kreativer und interaktiver gestaltet, als ich es von meiner deutschen Universität kenne. Ebenfalls in dem Seminar „Gender and Politics“ besteht z.B. eine Prüfungsform darin, sich die wichtigsten Ideen und Sichtweisen einer feministischen Autorin anzueignen und diese in einem Rollenspiel im Rahmen einer fiktiven Talkshow vorzustellen. In dem Seminar „Ethnic Conflict“ hingegen sind wir dazu aufgefordert am Ende des Semesters statt einer klassischen Hausarbeit, ein Comic für Kinder über einen ethnischen Konflikt zu gestalten, um so zu lernen komplexe Prozesse auch auf niedrigschwellige Art und Weise zu vermitteln.

Neben dem spannenden Curriculum bietet die UGM aber auch eine Vielzahl an Clubs und studentischer Vereinigungen an. Zu Beginn des Semesters fand dazu auf dem Campusgelände eine große Messe statt, auf der sich die Gelegenheit bot, das Angebot vom Debattierklub über Badminton bis hin zu Judo, näher kennenzulernen. Ich bin dem Schwimmclub beigetreten und übe seitdem nicht nur wöchentlich Schwimmtechniken, sondern habe dort auch einige sehr nette Studierende aus Indonesien kennengelernt. Vom Schwimmbad zu meiner Unterkunft sind es etwa 15 Minuten mit dem Scooter. Das Haus, das ich mir mit 19 anderen Austauschstudierenden teile, liegt im Norden der Stadt. Jeder hat sein eigenes Zimmer mit Bad und wir teilen uns zwei Küchen und einen Außenbereich. Auch wenn es bei so vielen Mitbewohner*innen nicht immer leicht ist, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, ist es doch eine tolle Möglichkeit Menschen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt kennenzulernen, sich auszutauschen und gegenseitig mit Tipps zu unterstützen. Mein Ziel, mit dem Studium an der Universitas Gadjah Mada meine eigenen Sichtweisen und Perspektiven in Bezug auf soziale und politische Komponenten und ihren Einfluss auf Themen wie Flucht und Migration zu schärfen und zu erweitern, hat sich erfüllt. Darüber hinaus war das Kennenlernen unkonventioneller und kreativer Lehrmethoden eine große Bereicherung. Ich freue mich darauf, dies in der zweiten Hälfte meines Auslandssemesters noch zu vertiefen und Yogyakarta und seine kulturellen Besonderheiten besser kennenlernen.

Abschlussbericht über mein Auslandssemester an der Universitas Gadjah Mada in Yogyakarta, Indonesien

Da ich nicht im Rahmen eines Austauschprogramms das Auslandssemester absolvierte, sondern als Freemover, musste ich für meinen Aufenthalt an der Universitas Gadjah Mada Studiengebühren zahlen. Diese bemessen sich nach der Anzahl der zu absolvierten Kurse bzw. der gesammelten Credits. Jeder belegte Kurs war also mit Kosten verbunden, weshalb ich in der Anzahl meiner Kurswahl beschränkt war. Umso wichtiger war es, genau die richtige Wahl zu treffen. Ich entschied mich für drei Kurse, die für mein Studium in Lüneburg besonders zielführend schienen.
Der erste der Kurse trug den Titel „Ethnic Conflicts.“ In diesem beschäftigten wir uns vor allem mit wissenschaftlichen Texten zu diesem Thema, die wir in wöchentlichen Assignments schriftlich bearbeiteten und dann in den Sitzungen diskutierten. Die Texte handelten vom Zusammenhang zwischen ethnischer Identität und Gewalt, stellten verschiedene Ansätze für die Analyse ethnischer Konflikte vor oder beschäftigten sich mit konkreten Beispielen inter ethnischer Gewalt in Indonesien. Einer dieser Texte ist mir dabei als besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben. In „Patterns of Collective Violance in Indonesia (1990 – 2003)” von Ashutosh Varshney, Rizal Panggabean und Mohammad Zulfan Tadjoeddin untersuchten die Autoren das Auftreten kollektiver Gewalt in Indonesien. Dafür sammelten sie Daten aus den Jahren 1990 bis 2003 und stellten fest, dass diese nicht, wie bisher angenommen, weit verbreitet ist, sondern sich vielmehr örtlich konzentriert. Ihre Datensammlung ermöglicht nicht nur die Identifizierung von Trends und Mustern, sondern dient auch als wertvolle Ressource für Wissenschaftler*innen, politische Entscheidungsträger*innen und Aktivisten. Dabei betonen die Autoren die Notwendigkeit, die spezifischen Kontexte und Dynamiken innerhalb von Regionen und Gruppen zu verstehen, um Strategien für die Verhinderung und Schlichtung dieser zu generieren. Die Auseinandersetzung mit einem so spezifisch-regionalen Fall ging über eine rein akademische Theorie hinaus. Vielmehr erhielt ich Einblick in neue Handlungsfelder und praktische Anwendungen, die außerhalb eines eurozentrischen Framings stattfinden.
Im akademischen Kalender UGM sind jedes Semester eine Zwischenprüfung und eine Abschlussprüfung vorgesehen. Die Zwischenprüfung in „Ethnic Conflicts“ bestand darin, sich mit einem zugewiesenen ethnischen Konflikt zu beschäftigen und herauszuarbeiten, welche Ursachen und Dynamiken zum Konflikt geführt hatten, aber auch welche Akteure involviert waren. Darüber hinaus war eine Prognose abzugeben, welche Entwicklung der Konflikt ohne Intervention nehmen würde. Die Ergebnisse wurden anschließend vor dem Seminar präsentiert. In einem zweiten Schritt ging es dann darum sich Lösungsansätze für diesen Konflikt zu erarbeiten.
Als Abschlussprüfung sollten wir schließlich ein Kinderbuch über einen selbst gewählten ethnischen Konflikt entwerfen. Bedingungen waren, dass die Geschichte auf einem realen Fall beruht und mindestens einen Vorschlag zur Lösung bzw. Überwindung des Konfliktes erläutert wird. Ich hatte mir den Konflikt um die Rohingya ausgesucht. Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit in Myanmar, die seit Jahrzehnten von der burmesischen Regierung verfolgt wird. Ihre Situation ist eine humanitäre Katastrophe. Denn ihnen wird nicht nur die burmesische Staatsbürgerschaft verweigert, sie werden zudem diskriminiert und haben keinen Zugang zu grundlegenden Rechten. Im Jahr 2017 führte eine brutale Militärkampagne zur Flucht von hunderttausenden von Rohingya nach Bangladesch. Die konkrete Umsetzung dieser kreativen Aufgabenstellung war eine Herausforderung. Zum einen musste ich den hochkomplexen und seit Jahrzehnten andauernden Konflikt um die Rohingya, kindgerecht aufarbeiten. Zum anderen erforderte die Aufgabenstellung ein gewisses Maß an Kreativität, um das Buch für die Zielgruppe ansprechend zu gestalten. Gerade deshalb war diese Art der Prüfung aber eine spannende Bereicherung, da ich so eine neue Methodik kennenlernte, um mich mit vielschichtigen Inhalten auseinanderzusetzen.

Mein zweiter Kurs trug den Titel „Gender and Politics“. Zu Beginn des Semesters erarbeiteten wir einen recht allgemeinen Überblick über verschiedene feministische Theorien und Methoden. Hier fand ich insbesondere die Beschäftigung mit muslimischen Feministinnen wie Lila Abu-Lughod, Amina Wadud, Saba Mahmood und Nawal El Saadawi sehr bereichernd, welche im europäischen Universitäts-Kosmos eine eher marginale Rolle spielt.
Lila Abu-Lughod’s Arbeit dreht sich zum Beispiel um das Verständnis für die Komplexität der Erfahrungen von Frauen in muslimischen Gesellschaften vor dem Hintergrund der Herausforderungen, mit denen sich diese angesichts westlicher Stereotype wie die der „Unterdrückten“ und „Opfer“ auseinandersetzen müssen. Diese gehen, so Abu-Lughod, mit externen Definitionen von Ermächtigung und Befreiung einher, die die eigene Handlungsfähigkeit der Frauen untergraben. Neben der Auseinandersetzung mit diesen feministischen Stimmen fanden auch persönlichen Beiträge meiner überwiegend muslimischen Kommilitonen aus Indonesien Platz. Sie berichteten sehr offen und vulnerabel darüber, wie die eigene Religion ihre Erfahrungen und Sichtweisen als Frau prägte. Dies waren für mich besondere Momente des Lernens. Sie führten mir vor Augen, wie wichtig solche intersubjektiven Momente des Erfahrungsaustauschs für das Verständnis von Lebensrealitäten sind und wie begrenzt die Möglichkeiten einer rein textuellen Erschließung dieser.
Mein Wunsch, das Verständnis für die komplexen Wechselwirkungen zwischen politischen Strukturen, physikalischen und biologischen Prozessen des Klimawandels sowie sozialen Kontexten zu vertiefen, hat sich in diesem Kurs besonders erfüllt. Denn Genderrollen, sozio ökonomische Ungleichheiten und kulturelle Normen führen dazu, dass diese anders vom Klimawandel betroffen sind als Cis-Männer. Dies zeigt sich etwa in gesundheitlichen Auswirkungen von extremen Klimaphänomenen, die in den strukturellen Mängeln bei der Gesundheitsversorgung nicht-männlicher Körper begründet liegen. Darüber hinaus sind aber auch geschlechtsspezifische Gewalt bei der Flucht aufgrund von klimawandelbedingten Ereignissen wie Dürren oder Überschwemmungen und der sich daraus ergebenden Ressourcenknappheit zu diesen Folgen zu zählen. Nicht zuletzt schränken kulturelle Normen und geschlechtsspezifische Ungleichheiten die Beteiligung dieser Gruppen an Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit Umweltfragen ein, was zu politischen Maßnahmen führt, die die Bedürfnisse und Perspektiven dieser nicht angemessen berücksichtigen. Klimagerechtigkeit kann also nur unter Berücksichtigung von Genderaspekten stattfinden.

Die Prüfungsleistung in „Gender and Politics“ bestand in der Erarbeitung einer Onlinekampagne im Rahmen der internationalen Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“, die jährlich stattfindet, um das Bewusstsein für die weltweite Ausbreitung von geschlechtsspezifischer Gewalt zu schärfen. Die Themen meiner Kommilitonen reichten von Gewalt bei der Geburtshilfe über die Problematisierung von gender-stereotypem Spielzeug bis hin zu Kinderehen in Indonesien. Ich selbst beschäftigte mich mit der Problematik von Femiziden in Deutschland. Mein Ziel war es, mit einem Instagram-Post darauf aufmerksam machen, dass es in Deutschland nicht nur an der Bereitstellung passender Strukturen zur Unterstützung bedrohter Frauen fehlt, sondern auch an einer klaren juristischen Definition des Begriffes „Femizid“, etwa im deutschen Strafgesetzbuch. Das hat zur Folge, dass die geschlechterspezifische Dimension dieser Fälle in der Rechtsprechung meist keine Rolle spielt und in den Urteilen keine Berücksichtigung findet.
Das dritte Seminar trug den Titel „Geopolitics of the Middle East“. Während des Semesters beschäftigten wir uns mit Zusammenhängen von geografischen Bedingungen und politischen Entscheidungen. Eine Bereicherung war für mich vor allem der Fokus auf die Region des Mittleren Ostens, da dieser im Curriculum der Umweltwissenschaften an der Leuphana Universität kaum stattfindet.
Als Prüfungsleistung schrieb ich ein Essay, in dem ich mich mit Faktoren auseinandergesetzte, die zum Sechs-Tage Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten im Jahr 1967 führten. Insbesondere nach den Massakern der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und den darauf folgenden Angriffen Israels im Gaza-Streifen war dieses Thema hochaktuell und von großer politischer Relevanz. Dabei erschloss sich mir eine Verbindung zu meinem Studium der Umweltwissenschaften, war doch einer der damaligen Konflikttreiber der Wassermangel in der Region. Mithilfe des Seminars und der Abschlussarbeit konnte ich mein Wissen darüber, wie eng geopolitische Entscheidungen und klimatische Faktoren miteinander verwoben sind, vertiefen.

Auch wenn ich mit den Studieninhalten an der UGM insgesamt sehr zufrieden war, fand ich es schade, dass die Kurse größtenteils vor allem von anderen Austauschstudierenden besetzt waren. Ich hatte gehofft, an der Uni noch mehr Studierende aus Indonesien kennenzulernen. Von meinen Kommilitonen wurde mir auf meine Nachfrage erklärt, dass die Zusammensetzung u.a. daraus resultierte, dass die Kurse ausschließlich auf Englisch stattfanden und dass für viele, die ich gewählt hatte, Äquivalente auf Indonesisch angeboten wurden. Zum anderen sind die Studiengebühren für englischsprachige Kurse deutlich höher. Die Höhe der Studiengebühren für indonesische Studierende ist abhängig vom jeweiligen Studiengang. Naturwissenschaftliche Studiengänge wie z.B. Medizin oder Biologie sind teurer als geisteswissenschaftliche.

Erfahrungen jenseits des Studiums

Um den Austauschstudierenden das Einleben zu erleichtern und ihnen die lokale Kultur näher zu bringen, veranstaltete das International Office der UGM gleich zu Beginn des Semesters eine Exkursion ins Pentingsari Tourism Village. Das Pentingsari Tourism Village liegt ungefähr 45 Minuten Fahrt vom Zentrum Yogyakartas entfernt und befindet sich am Rande des Mount Merapi, einem aktiven Vulkan. Das Dorf bietet unterschiedliche Aktivitäten an, die sich um die Themen Umwelt, Landwirtschaft, sozio-kulturelles Leben und traditionelle Lebensweisen und Künste drehen. Wir wurden mit einem Willkommenstanz, dem Punakawan Dance, begrüßt und anschließend in mehrere Gruppen geteilt und zu verschiedenen Stationen geführt. Der erste Teil des Programms bestand aus dem Kennenlernen von Batik. Dieses auch in Europa wohlbekannte Textilfärbeverfahren, bei dem Muster und Verzierungen in Handarbeit mit flüssigem Wachs auf das Gewebe aufgetragen werden, stammt nämlich ursprünglich aus Indonesien. Jede*r Studierende bekam ein Stück Stoff und durfte das Zeichnen mit dem Wachsstift selbst ausprobieren. An der nächsten Station wurden Instrumente eines Gamelan-Orchesters vorgestellt. Bei Gamelan, was wörtlich „etwas handhaben“, „etwas mit den Händen tun“ heißt, handelt es sich um die traditionelle Orchestermusik der Inseln Java und Bali. Ihren Ursprung hat Gamelan-Musik in den alten Fürstenhöfen der beiden Inseln. Das Orchester besteht klassischerweise aus 52 Instrumenten, die mit Schlegeln unterschiedlicher Art gespielt werden. Auffällig ist das große Klangspektrum mit komplexen Rhythmus- und Melodiestrukturen.

Java

Der letzte Teil der Tour bestand aus einer Jeep-Fahrt entlang des Vulkans Merapi, was übersetzt so viel wie „Feuerberg“ heißt. Der Vulkan gehört zu den aktivsten Indonesiens und ist in den letzten 100 Jahren mehr als 60 Mal ausgebrochen. Erst im März 2023 wurden mehrere umliegende Dörfer aufgrund einer 30 km hohen Aschewolke von Vulkanstaub bedeckt. Glücklicherweise wurde aber niemand verletzt. Die letzte große Eruption ereignete sich im Jahr 2010. Damals kamen mehr als 300 Menschen ums Leben und etwa 280.000 Anwohner*innen mussten ihre Häuser verlassen. Der Inselstaat Indonesien liegt auf dem sogenannten pazifischen Feuerring, wo sich mehrere Erdplatten treffen und die seismische Aktivität besonders hoch ist. Über eine holprige Offroad-Straße fuhren wir am Fuße des Vulkans entlang. Man konnte noch deutlich die Spuren erkennen, die die Lava bei der Eruption 2010 hinterlassen hatte. Unser erster Halt war ein kleines Museum, das aus einem kleinen Häuschen bestand, das durch die Asche 2010 „konserviert“ wurde. Im Museum waren Gegenstände ausgestellt, die in der Asche gefunden wurden, u.a. Kleidung, Küchenutensilien, elektronische Geräte – Dinge des alltäglichen Lebens. An den Wänden hingen Fotos und Zeitungsausschnitte der Eruption. Ich hatte ein mulmiges und bedrückendes Gefühl beim Durchlaufen der Räume, schließlich handelte diese Ausstellung von einer Naturkatastrophe, die viele Menschen das Leben gekostet hatte. Als nächstes ging es weiter zu einem Bunker, der ein Stückchen weiter oben lag. Seine Funktion als Schutzraum bei einem Ausbruch konnte er nicht erfüllen, wie uns beim Betreten von einem der Tourguides berichtet wurde, da die Schutzwände der Hitze der Lava nicht standhielten. An dieser Stelle endete die Tour und wir fuhren zum Pentingsari Tourism Village zurück. Eine Besteigung des Merapis zu Fuß ist übrigens grundsätzlich möglich, wie wir im Laufe der Tour erfuhren. Allerdings hängt dies stark von der vulkanischen Aktivität des Merapi ab.

Batik-Workshop

Eine weitere Besonderheit an der UGM ist der Community Service, der für alle indonesischen Studierenden obligatorisch ist. Die Studierenden verbringen zwei Monate ihrer Semesterferien in einem sozialen Projekt, engagieren sich dort und absolvieren gemeinnützige Dienste. Das Ziel ist es so Gemeinden von innen heraus zu stärken, aber auch ein Verständnis für Gemeinwesen zu entwickeln sowie die eigene Sichtweise zu erweitern. Wie das ganze aussehen kann, zeigt das Beispiel des nachhaltigen Tourismusprojektes am Congat Beach bei Yogyakarta. Hier riefen die Studierenden eine große Müllsammel-Aktion ins Leben und stellten Abfalleimer für Strandbesucher auf. Zudem nahmen sie sich der touristischen Einrichtungen in der Region an. Von der Installation von mit Solarzellen betriebenen Lichtern entlang von Evakuierungsrouten bis hin zur Entwicklung einer Website zur Förderung von Tourismus. So ein Community Service fördert nicht nur das soziale Engagement der Studierenden und sensibilisiert sie für die Bedürfnisse der Gesellschaft, durch den direkten Kontakt mit Menschen aus unterschiedlichen Communities lernen sie zudem Probleme und Bedürfnisse aus einer anderen Perspektive zu sehen. Ein ähnliches Modell würde ich mir auch für deutsche Universitäten wünschen.

Auch abseits solcher durch die Universität organisierten Aktivitäten hatte ich Gelegenheit, mich mit dem kulturellen Reichtum Indonesiens zu befassen. In Yogyakarta und Umgebung treffen architektonisch verschiedene Religionen aufeinander – im vorwiegend muslimisch geprägten Java finden sich zahlreiche Moscheen, aber auch buddhistische und hinduistische Tempelanlagen. Eine davon ist Borobudur, die größte buddhistische Tempelanlage der Welt. Mit dem Scooter ist sie etwa in einer Stunde zu erreichen. Wir wählten für die Fahrt die Route über die Dörfer und Landstraßen und fuhren im Sonnenschein an Reisfeldern und Palmen vorbei. Von unserem Tourguide vor Ort erfuhren wir, dass die imposante Anlage zwischen 780 und 840 n. Chr. erbaut wurde, aber lange Zeit in Vergessenheit geraten war, da sie überwuchert und unter Vulkanasche begraben lag. Seit 1991 ist Borobudur als UNESCO Weltkulturerbe gelistet und steht seitdem unter besonderem Schutz. Am Schluss der Tour verriet uns der Guide noch, dass, obwohl das Anfassen der Anlage eigentlich verboten ist, demjenigen, der durch die Öffnungen der Stupas, der glockenförmigen Figuren, greift und einen darin sitzenden Buddha am Kopf berühren kann, Glück widerfährt.

Borobudur

Ein weiteres eindrucksvolles Monument nicht weit von Yogyakarta ist Prambanan, die größte hinduistische Tempelanlage Indonesiens. Sie gehört neben Borobudur zu den Haupttouristenattraktionen der Gegend. Neben der Tempelanlage selbst beeindruckte mich vor allem das Ramayana Ballet Prambanan, das mehrmals pro Woche vor der atemberaubenden Tempelkulisse stattfindet. Es handelt sich dabei um ein traditionelles javanisches Tanzdrama, das die aus der hinduistischen Mythologie stammende Geschichte des Ramayana erzählt. Mehr als 200 Tänzer*innen und Gamelan-Musiker*innen sind auf der Freiluftbühne zu sehen. Sie erzählen von der Reise Ramas zur Rettung seiner Frau Sita, die vom König des Reiches Alengka, Rahwana, entführt wurde. Die Tanzaufführung findet ohne Worte und vorherige Erläuterung der Inhalte statt.

Ramayana Ballet Prambanan

Nach den Abschlussprüfungen im Dezember plante ich eine längere Reise. Nach einigen Gruppentrips in den vergangenen Monate hatte ich mich entschieden, diesmal alleine zu reisen, und buchte ein Flugticket nach Kalimantan, auch Borneo genannt. Die Insel liegt nördlich von Java und ist mit einer Fläche von 752.000 km² nach Grönland und Neuguinea die drittgrößte Insel der Welt. Sie besteht aus einem indonesischen, einem malaiischen und einem bruneiischen Teil. Mich reizte die Insel vor allem aufgrund ihrer vielfältigen Naturlandschaft und Tierwelt.
Meine Reise von Yogyakarta aus startete mit einer siebenstündigen Zugreise nach Surabaya, einer Stadt an der Nordostspitze Javas. Von dort aus nahm ich das Flugzeug nach Pangkalanbuun, einem kleinen Ort im Süden von Kalimantan. Dort befindet sich der Tanjung Puting Nationalpark, in dem freilebende Orang-Utans ihr Zuhause haben. Kalimantan ist neben Sumatra einer der Orte, in dem Orang-Utans noch in freier Wildbahn zu erleben sind. Ich hatte bereits von Java aus eine zweitägige Tour durch den Park gebucht, denn ohne einen offiziellen Tourguide ist es nicht erlaubt, den Nationalpark zu betreten. Eine zusätzliche Besonderheit der Tour ist das Transportmittel. Es handelt sich um ein nach offenes Holzboot, dem Klotok, das nicht nur der Fortbewegung, sondern auch als Schlafplatz dient. Um 9:00 Uhr morgens ging es mit dem Boot los. Wir fuhren auf dem Sungai Sekonyer durch den Nationalpark und suchten vom Deck aus nach den ersten Orang-Utans. Nach kürzester Zeit konnte ich den ersten auch schon entdecken. Ich war unheimlich aufgeregt und konnte es selbst kaum fassen, dass ich dies erleben durfte. Im Laufe der beiden Tage fuhren wir verschiedene Fütterungsstationen im Park an. Die Fütterungen ähneln leider denen im Zoo, auch wenn die Tiere hier frei leben. Das Besondere sind aber die Begegnungen auf dem Weg dorthin, wenn man es irgendwo rascheln hört, hochblickt und einen oder mehrere Orang Utans im Dickicht über sich entdeckt.

Tanjung Puting

Nach drei Tagen im Nationalpark ging es weiter zu den Derawan Inseln. Die Fahrt dorthin erfordert viel Mühe und Geduld. Mehr als einmal wollte ich die Reise abbrechen und zurück nach Yogyakarta. Nach endlosen Bus- und Taxifahrten setzte ich endlich mit dem kleinen Speedboot vom Hafen Tandjoengbatoe nach Pulau Derawan über, der zum Festland nächstgelegenen Insel der Gruppe. Bei meiner Ankunft war ich überwältigend von ihrer Schönheit. Türkisfarbenes, klares Wasser, Palmen und bunte Häuser, die auf Stelzen im Wasser stehen. Die Insel ist so klein, dass ein Spaziergang rundherum maximal 30 Minuten dauert. Sie ist zudem autofrei, man bewegt sich zu Fuß, per Fahrrad oder auf Elektrorollern fort. Von meinem Zimmer aus schaute ich direkt aufs Wasser und konnte an meinem ersten Morgen bereits eine riesige Schildkröte entdecken, die dort gemächlich ihre Runden zog.

Derawan Island

Die Derawan Inseln sind vor allem berühmt für ihre Unterwasserwelt. Bunte Riffe mit unzähligen Fischen, Schildkröten und Mantarochen erwarten einen hier. Ich hatte mir auch hier vorab eine Tour gebucht, um damit zu den besten Schnorchel-Spots und zu den umliegenden Inseln Maratua, Sankalaki und Kakaban zu kommen. Das erste Ziel befand sich auf Maratua, etwa 45 Minuten mit dem Boot von Pulau Derawan entfernt. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf eine Gruppe von Delfinen. Auf Maratua ging es zu Fuß durch den Dschungel zu einer Höhle. Sie ist 120 Meter lang und eine Verbindung zwischen Meer und dem See im Inneren der Insel. Das Wasser ist unvorstellbar klar und von einem leuchtenden Blau – daher auch ihr Name „Blue Cave“. Dort zu schnorcheln war eine tolle Erfahrung, auch wenn mir etwas mulmig zu Mute war als ich sah, dass es unter mir an die 30 Meter in die Tiefe ging. Nach etwa einer halben Stunde ging es zur nächsten Insel, Kakaban Island. Dort erwartete mich ein fast 400 Hektar großer See, Heimat von vier verschiedene Quallenspezies. Darunter sind auch Arten, die normalerweise für Menschen hochgiftig sind, hier aber aufgrund besonderer Umweltbedingungen ihr Nesselgift verloren haben. Aus diesem Grund kann man hier also gefahrlos mit ihnen tauchen und ihnen so nah kommen wir sonst nirgends. Wie Kreaturen aus einer anderen Welt schwebten sie dicht an mir vorbei. Einige so groß wie ein Fußball, andere klein wie mein Daumennagel. Mir fiel es schwer, diesen magischen Ort wieder zu verlassen. Aber die Tour war noch nicht vorbei und die nächste Station versprach nicht weniger aufregend zu werden. Wir fuhren zur Insel Sangalaki. Mit etwas Glück trifft man hier auf Riesenmantas. Und tatsächlich tauchten kurz nach unserer Ankunft die ersten Tiere auf. Der Guide erklärt mir, dass einige Exemplare eine Spannweite von bis zu sieben Metern erreichen. Langsam ließen wir uns vom Boot aus ins Wasser gleiten. Innerhalb der halben Stunde, die wir im Wasser verbrachten, zogen zehn der riesigen Tiere an uns vorbei. Mit ihren flügelartigen Flossen schienen sie durchs Wasser zu fliegen.

Ich bin sehr dankbar für die Chance Orte kennenzulernen, die einzigartige und vielfältige ökologische Systeme beherbergen. Sie zu schützen ist nicht nur wichtig für den Erhalt der Biodiversität, sondern auch für die Bekämpfung des Klimawandels und der Sicherung der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung. Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich beschlossen, in meinem Studium der Umweltwissenschaften zukünftig einen noch größeren Fokus auf den Erhalt von Lebensgemeinschaften und Ökosystemen zu legen. Der Auslandssemester in Yogyakarta war eine große Bereicherung für mich, denn ich habe im universitären Rahmen unterschiedliche Methoden gelernt, um komplexe Themen aufzuarbeiten, aber auch sie aus neuen Perspektiven zu betrachten. In meiner akademischen Laufbahn hat mich dies einen großen Schritt nach vorne gebracht. Auch die Begegnungen und Erfahrungen, die auch außerhalb des Studiums gemacht habe, bestärken und motivieren mich meine gesetzten Ziele weiterhin zu verfolgen.