Stipendiat Tobias Lauterbach
„Reisen ist das Einzige, was man kauft, das einen reicher macht.”
Tobias Lauterbach studiert Sportökonomie mit dem Schwerpunkt Marketing an der Universität Bayreuth und wurde bezüglich seines bevorstehenden Auslandsaufenthalts für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2021 auserwählt. Er wird ein freiwilliges Auslandspraktikum bei der NGO “Young Bafana Soccer Academy” (YBSA) in der Nähe von Kapstadt, Südafrika, absolvieren.
Die YBSA ist eine gemeinnützige Organisation, die sich seit 2010 mit einem umfassenden Fußball- und Bildungsangebot der ganzheitlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus armen Verhältnissen widmet. Dabei liegt der Fokus darauf, langfristig den Lebensstandard zu verbessern, weshalb die schulische Ausbildung der Jungen und Mädchen an erster Stelle steht. Tobias wird viel Zeit mit den in ärmeren Verhältnissen aufwachsenden Kindern verbringen, für ihr Equipment und ihre Verpflegung sowie den Transport, ihre Nachhilfestunden und ihre Fußball-Trainings sorgen. Dabei möchte er eine andere Perspektive auf das Leben gewinnen und zur Förderung des interkulturellen Austauschs beitragen.
Wir sind gespannt auf seine Erfahrungen und ihren Bericht!
Halbzeitbericht
Bereits 2,5 Monate lebe ich nun in Somerset West, einer zu Kapstadt gehörenden Region an der südlichen Küste Südafrikas. Einerseits kommt es mir so vor, als wäre ich gestern erst gelandet, da ich jeden Tag etwas Neues sehe. Andererseits als würde ich schon ewig hier leben, weil ich bereits so viele besondere Erfahrungen sammeln durfte. In ständigem Wechsel erlebe ich die unglaubliche Schönheit des Landes, aber auch seine großen Probleme - und das seit Tag 1, an dem es für mich direkt zu einem Sichtungstraining für unsere U18 Mannschaft ging. Schnell war klar, dass mich ein Kontrastprogramm zu Deutschland erwartet: Strahlender Sonnenschein und Hitze, ein Fußballplatz am Fuße des wunderschönen Helderbergs, der Strand nur wenige Kilometer entfernt, unfassbar herzliche Menschen, aber natürlich auch ins Auge springende Armut. Und von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass eine ganz besondere Zeit auf mich wartet.
Dieser Eindruck bestätigte sich dann auch im Arbeitsalltag. Young Bafana hat seit Kurzem eine eigene Anlage mit Office, Education Center für Nachhilfestunden, Fitnessraum und eigenen Fußballplätzen. Für mich beginnt ein normaler Tag mit Marketing-Arbeit im Office (v.a. Website-Management und Content-Erstellung für Social Media), bevor es an die Trainingsvorbereitung geht. Das heißt: Brote schmieren, Getränke auffüllen, Equipment sammeln, die Kids abholen und dann mit ihnen trainieren. Und da wir insgesamt sechs Jugendmannschaften haben, stehe ich fast jeden Tag auf dem Platz und verbringe Zeit mit den Kindern.
Wie bereits angedeutet sind die drei Säulen des Förderprogramms von Young Bafana Fußball, Bildung und Ernährung. Die meisten unserer Kinder kommen aus Llwandle. einem für Südafrika typischen Armenviertel. Als Tourist*in sieht man diese sogenannten Townships meist nur von außen und weiß kaum etwas darüber. Doch durch das Praktikum bin ich häufig dort, etwa wenn wir die Spieler einsammeln, in der Grundschule vorbeischauen, den uns mit Gemüse versorgenden Gärtner besuchen, dort Fußballspiele haben oder mich unsere in Llwandle lebenden Trainer abends in eine Bar mitnehmen. Zum einen machen mich diese Einblicke immer wieder fassungslos, da man oft mit krassen Lebensbedingungen konfrontiert wird – was mir wiederholt die Wichtigkeit der Arbeit von Young Bafana aus erster Hand aufzeigt. Zum anderen findet man dort aber auch unfassbare Schönheit in den Menschen und ihrer Art das Leben anzugehen. Trotz der Umstände sind sie nahezu immer voller Lebensfreude, Offenheit und Gastfreundschaft, wovon ich persönlich sehr viel lerne.
Außerhalb des Praktikums finden die anderen Praktikant*innen und ich auch immer wieder Zeit, das Land zu erkunden. Glücklicherweise, denn Südafrika bietet eine sehr abwechslungsreiche Natur und viele Möglichkeiten für Ausflüge. Zu den bisherigen Highlights zählen für mich vor allem das Erkunden der vielfältigen Metropole Kapstadt, ein Festival an einem Bergsee, traumhafte Kitesurf-Sessions zwischen Robben in Langebaan, gesellige Weihnachtstage in Kleinmond bei einer befreundeten Südafrikanerin und ihrer Familie und natürlich auch die berühmte Garden Route, ein ca. 2x700km langer Roadtrip entlang der Ostküste Südafrikas. Dort ist ein Strand schöner als der andere und das Gleiche gilt für die verschiedenen Wanderrouten, die meist mit atemberaubendem Ausblick oder einem Sprung von einem Wasserfall enden. Und on-top standen u.a. noch Aktivitäten wie Shark Diving in Gansbaai, Paragliding in Wilderness, Wellenreiten am legendären Surf-Spot Jeffrey’s Bay, Safari im Addo Elephant Park und eine Weintour in Franschhoek auf dem Programm.
Nach etwas mehr als der Hälfte meines Praktikums blicke ich also auf eine sehr außergewöhnliche und spannende Zeit zurück. Ich habe das Gefühl, wirklich einen positiven Beitrag für die in schwierigen Verhältnissen aufwachsenden Kinder leisten zu können. Ich merke, wie ich mich als Mensch weiterentwickle und bin dankbar, dass es mir möglich ist, all diese Erfahrungen zu sammeln. Einen wichtigen Anteil daran hat auch das Stipendium von Vacasol, das mir maßgeblich bei der Finanzierung hilft, weshalb ich an dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön aussprechen möchte. Nun freue ich mich sehr auf die nächsten 1,5 Monate und darauf, in meinem abschließenden Bericht noch ausführlichere Einblicke zu geben.
Abschlussbericht
4 Monate Volunteering in Südafrika, 1 Monat Roadtrip durch Namibia und Botswana, 2 Monate Volunteering in Tansania. Macht 7 Monate Afrika, prall gefüllt mit ganz besonderen Erlebnissen. Hinter mir liegen zahlreiche Ausflüge in die facettenreiche Natur Afrikas, spannende Begegnungen, aber auch intensive Konfrontationen mit der systemischen Ungerechtigkeit abseits der Touri-Spots. Und von dieser Zeit darf ich nun erzählen, in meinem Abschlussbericht für das Vacasol Global Engagement Scholarship.
Südafrika – Leben in zwei Welten
Im Anschluss an meinen Halbzeitbericht begann die heiße Phase der Saisonvorbereitung. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an die Plätze am Fuße des Tafelbergs oder an die Gwijos (einschwörende Gesänge des Xhosa-Stammes, die unsere Kids vor den Spielen sangen) zurückdenke. Zudem zogen ein Kollege und ich in ein Airbnb direkt am Strand – ein Surfboard war schnell gekauft und eine neue Morgenroutine etabliert.
Des Weiteren wurde mein Verhältnis zu unseren Kids und den im Township wohnenden Coaches immer enger. Gerade Letztere waren sehr gewillt, mir ihre Kultur und Lebensweise zu eröffnen. Ich redete mit ihnen über Politik, Träume, Ängste, erkundete mit ihnen Lwandle, besuchte sie bei ihren Familien, übernachtete dort. Neben ihrer inspirierenden Lebensfreude ist bei mir vor allem die Autarkie Lwandles hängengeblieben. Es gibt eigene Shops, Wäschereien, Bibliotheken, Krankenhäuser, etc. Viele verlassen nie das Township. Und da „Mlungus“, also Weiße, aus Angst vor Kriminalität kaum dort sind (ich wurde teils angeschaut wie ein Alien), ist fast 30 Jahre nach Apartheitsende die Rassentrennung noch viel zu immanent.
Bestürzend waren auch die Lebensverhältnisse. Zwar gibt es einige besser situierte Familien, doch das gilt bei Weitem nicht für alle. Und so tragen gerade viele Kinder jeden Tag dieselben Klamotten, spielen mit Müll, der dort in Massen herumliegt, und sind über jedes Essen dankbar. Und das oft nur wenige hundert Meter von den Villen reicher Südafrikaner*innen entfernt. Wegen struktureller Nachteile im Schulsystem (z.B. überfüllte Klassen, kein Zugang zur Pre-School) und Korruption (weshalb Entwicklungsgelder oft einfach verschwinden), haben viele keine wirkliche Perspektive. Das führt zu Drogen und zur angesprochenen Kriminalität durch „Tsotsis“, Xhosa für Gangster, wegen derer selbst die Einheimischen nachts Angst auf ihren eigenen Straßen haben.
Die YBSA leistet mMn., wenn auch auf kleiner Skala, einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung der skizzierten Probleme. Die Chance auf eine Profikarriere ist natürlich gering, doch holt der Sport die Kids ab und bietet den Rahmen, um die Rassentrennung aufzulockern, Werte zu vermitteln und die Wichtigkeit von Bildung zu betonen. Ich bin froh, ein Teil davon gewesen zu sein und die NGO als Vereinsmitglied von Deutschland aus weiter begleiten zu dürfen. Entsprechend schwer fiel der Abschied von den fest ins Herz geschlossenen Kindern und Kolleg*innen, der aber definitiv nicht für immer ist. Nach Praktikumsende wollte ich noch einmal die landschaftliche Schönheit Südafrikas aufsaugen und meine Zeit Revue passieren lassen, weshalb ich eine Woche wandern ging: Tafelberg, 3 Tage Cederberge, Crystal Pools, Helderberg, Stellenboschberg. Wanderspots, die ich nur empfehlen kann! Mein Abenteuer Afrika endete hier aber noch nicht.
Namibia & Botswana – Abenteuerurlaub in atemberaubender Natur
Im April bereisten 3 Praktikant*innen und ich für jeweils 10 Tage Namibia und Botswana. Bewaffnet mit einem 4x4 samt Dachzelten, Gaskocher, etc., hieß es also: Roadtrip. Fast 6000 (sehr holprige) Kilometer später hatten wir die schönsten Landschaften und Naturschauspiele unseres Lebens gesehen. Namibia begeistere uns durch seine Vielfalt. Der Süden bietet v.a. Wüste: Im roten Sand der Kalahari ließen wir uns die damaligen Jagdtechniken des San-Stammes zeigen, während wir in der Namib-Wüste durch die toten Bäume des Deadvlei spazierten, die Big-Daddy-Dune sowie die Dune 7 (höchste Namibias) bestiegen, Sandboarden gingen, die „Moon Landscape“ durchfuhren und nachts in einen unfassbar klaren Sternenhimmel blickten. Die Westküste hielt alte Schiffswracks, Flamingos sowie eine Kitesurf-Session in Walvis Bay für uns bereit. Und im Norden erkundeten wir die Berge Spitzkoppe und Brandberg, mit ihren berühmten Höhlenmalereien, bevor wir im Etosha-Nationalpark auf Safari gingen und den „Hoba“-Meteorit (größter der Erde) begutachteten.
Botswana ist ein wahres Safari-Paradies. Wir besuchten auch die simbabwischen Victoria Falls (einen der größten Wasserfälle der Erde) und Kubu Island (eine „Insel“ in einer Salzwüste), doch die Highlights waren definitiv die Nationalparks Chobe und Moremi. Und wir hatten riesiges Glück: Schwimmende Elefanten, Geparden, dutzende Löwen (u.a. beim Paaren und beim Fressen eines Elefanten), nachts vor unseren Zelten grasende Hippos, riesige Büffelherden, und, und, und. Ein Traumurlaub!
Tansania – Afrika pur
Danach wollte ich mich erneut sozial einbringen und ein Land intensiver kennenlernen. Somit lautete meine nächste Station Dareda, Tansania, wo ich 1,5 Monate als Volunteer für die deutsche NGO „Lachende Kinder Tansania“ (LAKITA) tätig war. Diese widmet sich der Verbesserung der Lebensumstände von Kindern aus schwierigen Verhältnissen. In diesem Zusammenhang unterstützt LAKITA zum einen das örtliche Krankenhaus, durch die Finanzierung von Kindernahrung und medizinischen Geräten. Zum anderen kooperiert die NGO mit einer privaten Grundschule, für die sie den Großteil der Infrastruktur errichtete und auch sonst eng involviert ist. Für ausgewählte Kinder aus Dareda, die es besonders schwer haben, sponsert LAKITA den Schulaufenthalt vollumfänglich, heißt: Schulgebühren, 4 Mahlzeiten pro Tag, Kleidung, und für viele – da die Eltern oftmals verstorben, finanziell überfordert oder alkoholabhängig sind – einen Schlafplatz im Internat. Ich war meist an der Schule aktiv, wo ich u.a. Bauarbeiten koordinierte, Schulequipment beschaffte, oder potenzielle Patenkinder zuhause besuchte. Natürlich verbrachte ich auch viel Zeit mit den Schüler*innen. Wir spielten Fußball oder Volleyball, pflanzten Bäume, wanderten zum Dareda-Wasserfall und gingen im berühmten Krater des Ngorongoro-Nationalparks auf Safari.
Dareda ist – ganz anders als der von mir besuchte, westlich geprägte Teil Südafrikas – mitten im Busch. Das heißt: keine richtigen Supermärkte, ungeteerte Straßen, kein WLAN, dafür Bananenbäume und Hyänen-Rufe bei Nacht. Dort war ich nun wirklich der einzige Weiße und ständig hallte es „Mzungu“, wenn ich durch die Straßen lief. An meinem ersten Tag zählten die Kids sogar nach, ob ich auch 10 Finger habe. Obgleich die Lebensumstände oft denen in Lwandle ähnelten, war die Atmosphäre viel sicherer. Vermutlich, da die Menschen dort eigenbestimmt leben, ohne den Kontrast großen Wohlstands vor ihrer Nase. Auch wenn keine anderen Volunteers vor Ort waren, wurde ich bestens integriert.
Ich traf mich regelmäßig mit Personal oder Freunden LAKITAs auf ein Kilimanjaro-Bier und Chipsi Mayai (Pommes mit Ei – klingt komisch, ist aber der Hammer), bestieg mit ihnen den 3420m-Vulkan Mt. Hanang und besuchte den wunderschönen Salzsee. Im Anschluss an das Praktikum bereiste ich noch einen halben Monat das Land. Nach einem erneut schmerzhaften Abschied ging es auf eine 3-Tages-Wanderung auf den Mt. Meru, den zweithöchsten Berg Tansanias. Sehr anstrengend, aber mit Sonnenaufgang hinter dem Mt. Kilimanjaro als Belohnung! Für die letzten Tage wollte ich dann vor allem Entspannung und Zeit zum Reflektieren. So verschlug es mich für das abschließende Kapitel meiner Afrikareise an die traumhaften Strände und Kitesurf-Lagunen Sansibars, von wo ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach 7 Monaten Afrika wieder nach Deutschland flog.
Es bleiben hunderte schöne und genauso viele bedrückenden Erinnerungen. Bis ich alles verarbeitet habe, wird es noch lange dauern. Allen, die mit dem Gedanken eines ähnlichen Auslandsaufenthalts spielen, kann ich nur dazu raten. Es war zum einen ein sehr guter Rahmen, um aktiv zu helfen, zum anderen mein bislang größtes Abenteuer und eine unfassbar prägende Zeit. Ich habe gelernt, mich in krassen Settings zurechtzufinden, wie klein die täglichen Probleme doch sind und was mir im Leben wichtig ist. Ich kann meine Dankbarkeit nicht in Worte fassen. Deshalb abschließend short and simple: Danke an Vacasol für die Unterstützung. Danke an LAKITA und die YBSA, dass ich einen kleinen Teil zu den großartigen Projekten beitragen durfte. Danke für den Support an Freund*innen und Familie in Deutschland. Und danke an all die Bekanntschaften in Afrika, aus denen tiefe Freundschaften wurden.