Stipendiat Lukas Höhnle
Lukas Höhnle studiert Medien- & Kommunikationswissenschaften an der Universität Augsburg und wurde bezüglich seines bevorstehenden Auslandsaufenthalts für das Vacasol Global Engagement Scholarship 2023 auserwählt. Er wird das Wintersemester 2023 in Japan an der Waseda Universität verbringen. Als leidenschaftlicher Kampfkunstsportler und Jiu-Jitsu Trainer, fiel ihm die Wahl des Landes für seinen Aufenthalt verhältnismäßig leicht.
„(…) ein solcher Aufenthalt (ist) eine optimale Gelegenheit, um sich in einem neuen Umfeld, in dem man teils auf sich allein gestellt ist, einzuleben, zu wachsen und interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln.“
Lukas ist aber nicht nur an der japanischen Kultur interessiert, sondern möchte sich persönlich und akademisch weiterentwickeln. Dafür ist ihm das Auslandssemester an der Waseda Universität besonders wichtig, da er nach seinem Studium eine Karriere in der Wissenschaft anstrebt.
„In Tokio möchte ich mehr über die wissenschaftliche Arbeitsweise in anderen Ländern erfahren und gleichzeitig mein Netzwerk erweitern, was heutzutage in der Wissenschaft von großer Bedeutung ist.“
Lukas hat sich für sein Semester in Tokio viel vorgenommen und wir wünschen ihm dabei viel Erfolg und freuen uns auf seine Berichte!
Halbzeitbericht
Als ich mich Mitte September in ein Flugzeug setzte, um für mein Auslandssemester nach Japan zu fliegen, wusste ich nicht, was ich zu erwarten hatte. Ich wusste nur, dass es anders werden würde. Nachdem nun die Hälfte meines Aufenthalts in Japan schon vorbei ist, kann ich bestätigen, dass es tatsächlich anders, aber auch genial ist.
Ein fremder Kontinent und eine neue Kultur bringen immer Herausforderungen mit, in Japan ist das zum Beispiel die Bürokratie, die nach dem Ankommen viel Zeit verschlingt. In Japan gibt es sehr viele Regeln und alles läuft streng nach Plan ab. An die geringe Flexibilität musste ich mich zu Anfang noch gewöhnen.
Ich habe mittlerweile aber erkannt, dass dadurch vieles zuverlässiger funktioniert, das beste Beispiel sind wohl die immerzu pünktlichen Züge. Auch die Universität ist anders organisiert als in Deutschland: Strenge Anwesenheitspflicht oder Zwischenprüfungen – für deutsche Studierende normalerweise Fremdwörter – gehören nun plötzlich zu meinem Alltag.
Das führt aber auch dazu, dass die Belastung über das ganze Semester gleichmäßiger verteilt ist. Der Campus ist immer mit Leben gefüllt und es ist immer etwas los, egal ob Vorführungen, Mitmach-Aktionen verschiedener Clubs oder kleine Feste. Das kannte ich so aus Deutschland noch nicht und gefällt mir sehr gut.
Mein Verhältnis zu den Dozierenden ist durchweg positiv und ich hatte von Anfang an das Gefühl, hier willkommen zu sein. Dadurch fällt es dann auch leichter, sich mit neuen und eher unbekannten Themenfeldern auseinanderzusetzen, was durchaus gewinnbringend ist.
Nach zehn Wochen kann ich nun auch sagen, dass Japan ein vielfältiges und faszinierendes Land voller freundlicher Menschen ist. Abgesehen von der brütenden Hitze der ersten vier Wochen fühlt man sich hier sofort wohl und willkommen.
Die Vielfalt abseits der größten Metropole der Welt konnte ich auf meinen Trips zur südlichsten Inselgruppe Okinawa oder zum Fuji-san, dem heiligen Berg der Japaner, erleben und war absolut begeistert davon. In meiner verbleibenden Zeit möchte ich auf jeden Fall noch so viel wie möglich vom Land sehen.
Nicht nur in der Uni, sondern auch außerhalb habe ich bereits sehr viel gelernt. In einem Studentenwohnheim zu leben und sich Küche und Bad zu teilen, war für mich zum Beispiel eine ganz neue Erfahrung. Obwohl die Dusche zwar manchmal besetzt ist, komme ich hier sehr gut zurecht und habe sehr schnell viele tolle Leute kennengelernt.
Außerdem habe ich sehr schnell nach meiner Ankunft angefangen, Kampfsport zu trainieren. Einmal in einem echten japanischen Dôjo zu trainieren, war schon lange ein Traum von mir. Das Training läuft hier doch anders ab als in Deutschland, aber man lernt unglaublich viel Spannendes und Neues, unter anderem auch sich mit Händen und Füßen zu verständigen.
Leider ist Englisch in Japan nicht besonders weit verbreitet, mit einigen Brocken japanisch, die ich bereits gelernt habe, komme ich aber ganz gut zurecht.
Die Entscheidung hierher zu kommen, habe ich bisher noch keinen Tag bereut. Tokyo ist in jeder Hinsicht eine beeindruckende Stadt. Die viel beschworene Größe dieser Metropole ist tatsächlich unvorstellbar, allerdings gibt es sehr viele ruhige und entspannte Gegenden, was ein schöner Kontrast zu den belebten Stadtteilen Shibuya und Shinjuku ist.
Auch der Kontrast zwischen Tradition und Moderne ist beeindruckend, zwischen den vielen Wolkenkratzern steht schonmal ein 500 Jahre alter Tempel, der von den Japanern noch regelmäßig für Gebete genutzt wird und für Touristen schön anzusehen ist. All diese Eindrücke und Kontraste haben die Zeit im Auslandssemester für mich jetzt schon unvergesslich gemacht und ich genieße es sehr, einzig der Speicher in meinem Handy leidet ein bisschen unter den vielen Fotos.
Abschlussbericht
Obwohl ich jetzt am Ende meines Auslandssemesters in Japan bin, fange ich nochmal ganz von vorne an. Nachdem ich im Bachelor aufgrund von Corona nicht ins Ausland zum Studieren konnte, wollte ich jetzt im Master unbedingt die Gelegenheit nutzen.
Am besten weit, weit weg, um möglichst viele neue Eindrücke zu sammeln und viel zu erleben. Zuerst hatte ich die USA im Visier, bin dann aber ziemlich schnell auf Asien gestoßen und hier hat Japan es mir besonders angetan.
Als leidenschaftlicher Kampfsportler und auch Trainer im Jiu-Jitsu war es naheliegend, einmal in das Geburtsland dieser Jahrhunderte alten Künste zu reisen.
Nachdem ich von der Uni Augsburg dann die Zusage bekam, dass ich im Wintersemester 2023/24 an der Waseda University in Tokyo studieren darf, war die Vorfreude gleich riesig.
Nachdem alle organisatorischen und bürokratischen Hürden überwunden waren, ging es Mitte September dann auch schon los.
Nach insgesamt über 30 Stunden Anreise hielt ich es zunächst für einen Scherz für Touristen, dass das Erste, was ich nach der U-Bahn sah, ein großes Tor eines Tempels war.
Etwa 1.000 Tore, Tempel und Schreine später habe ich gelernt, dass sie in Tokyo und Japan zum Stadtbild gehören, überall stehen und nicht nur von Gläubigen aktiv genutzt werden, sondern auch sehr schön anzusehen sind.
Anschließend habe ich dann mein Wohnheim bezogen, das ein echter Glücksgriff war. Ich habe sehr zentral in Shinjuku gelebt und auch nicht weit vom Campus entfernt.
Zu Beginn wurden hier öfter gemeinsame Aktivitäten veranstaltet, so dass man schnell in Kontakt mit den anderen Austauschstudierenden gekommen ist und ich sehr schnell eine coole Freundesgruppe gefunden habe.
Ich hatte hier mein eigenes Zimmer, das mit 12 Quadratmetern für Tokyo ziemlich groß war. Außerdem hatte ich eine eigene Toilette und meinen eigenen Balkon, im neunten Stock hatte ich hier einen fantastischen Blick über die Stadt und konnte die ganze Skyline überblicken, was gerade bei Sonnenuntergang immer wieder schön anzusehen war.
Auf jedem Stockwerk gab es eine Küche, die man sich geteilt hat, was aber immer problemlos geklappt hat. Ganz japanisch gab es hier auch 2 top moderne Reiskocher, damit niemand auf das japanische Grundnahrungsmittel verzichten musste.
Außerdem gab es einen großen Gemeinschaftsraum, in dem man sich oft getroffen hat, um Spiele zu spielen, die neuesten Erlebnisse zu besprechen oder Pläne für die nächsten Tage zu schmieden.
Bis Anfang Oktober haben wir dann gemeinsam Tokyo erkundet und waren alle begeistert, abgesehen von den drückenden Temperaturen. Meine erste Erwartung an die Stadt war wohl, dass sie riesig, unübersichtlich und chaotisch ist.
In den ersten Tagen wurde ich jedoch schnell eines Besseren belehrt. Obwohl es natürlich die Hotspots gibt – z. B. Shibuya Crossing, die berühmte riesige Kreuzung, die täglich von Tausenden überquert wird – sind die meisten Viertel sehr ruhig und ordentlich.
Auch der Bereich, in dem mein Wohnheim war, ist eine dieser Ecken. Hier sieht man meistens mehr Fußgänger oder Leute auf dem Fahrrad, als Autos und wird abends um neun Uhr schonmal ermahnt, dass man sich auf der Straße bitte nicht unterhalten soll – für Europäer definitiv eine neue Erfahrung.
In Tokyo gibt es neben den meisten Restaurants mit Michelin-Stern der Welt auch unzählige kleine Restaurants, die von außen oftmals unscheinbar aussehen, meistens kriegt man hier aber unglaublich gute Ramen-Nudeln oder frisch gemachtes Sushi, das von der Qualität her tatsächlich, wie von einem anderen Stern anmutet.
Die Preise in Tokyo waren meistens erschwinglich, so dass man sehr viel ausprobieren konnte und die lokale Küche auf Herz und Nieren prüfen konnte. Was anfangs jedoch tatsächlich kurios war, war das japanische Geld, der Yen.
1.000 Yen entsprechen in etwa 6,30 €, man spielt hier also oft in einer ganz anderen Liga als in Deutschland. Wenn man essen geht, muss man oft ein- bis zweitausend Yen zahlen, am Ende eines kleineren Shoppingtrips geht die Rechnung schonmal in Richtung 10.000, was oft für kurzzeitiges Entsetzen sorgen kann.
Aber selbst mir, als nicht zahlen-affine Person ist es irgendwann gelungen, die Umrechnung besser zu verstehen und einen besseren Überblick über das Geld und die vielen großen Scheine zu bekommen.
In der zweiten Oktoberwoche begannen dann auch die Kurse in der Uni. Der Alltag war dann meistens von Hausaufgaben machen, Texte lesen, Präsentationen vorbereiten und Seminaren in der Uni geprägt.
In Japan ist auch die akademische Kultur eine andere. Hier wird sehr viel Wert auf die Anwesenheit und Mitarbeit in den Kursen gelegt, auch die vorbereiteten Materialien sollten immer einwandfrei sein und generell wird weniger Wert auf die Eigenverantwortung der Studierenden gelegt als in Europa.
Meiner Erfahrung nach hat das sowohl Vorteile und Nachteile. Das ganze Studium ist dadurch viel Strukturierter und die aktive Mitarbeit trägt erheblich zum Verständnis der Inhalte bei.
All das geht zwar auf Kosten der Flexibilität, aber das war nicht wirklich dramatisch. Die Dozierenden waren alle sehr freundlich und man hat sich immer willkommen gefühlt. Dadurch war der akademische Aspekt des Auslandsstudiums tatsächlich durchweg positiv und hat wirklich Spaß gemacht.
Die Zeit, die ich nicht mit Studieren verbracht habe, habe ich so gut wie möglich zu nutzen versucht. Bereits vor meiner Anreise habe ich nach Dôjos, den traditionellen japanischen Trainingszentren für Kampfsport und Kampfkunst gesucht.
Ich habe mich dann entschieden, Aikidô zu trainieren, das ist eine japanische Kampfkunst, die recht ähnlich zu Jiu-Jitsu ist, was ich in Deutschland seit über zehn Jahren trainiere.
Im Dôjo vor Ort bin ich von Anfang an freundlich in Empfang genommen worden, auch wenn die Kommunikation nicht immer flüssig lief.
Viele Japaner sprechen nur wenig oder gar kein Englisch, auf der Matte kann man sich aber sehr gut mit Händen und Füßen verständigen, wodurch der Austausch dann fast reibungslos lief.
Ich habe auch gemerkt, dass ich dort sehr viele für den Alltag nützliche Worte gelernt habe und konnte so auch meine Japanisch-Kenntnisse gut erweitern.
Neben vielen Techniken, Hebeln und Würfen habe ich hier auch gelernt, wie Japaner einen Teil ihrer Freizeit verbringen. Generell ist es nicht so leicht, als Ausländer (mit begrenzten Sprachkenntnissen) in Kontakt mit Einheimischen zu kommen.
Mit der Aikidô-Gruppe konnte ich aber oft nach dem Training noch die Gegend erkunden, mir Empfehlungen für die besten Restaurants und Bars geben lassen und so noch tiefer in die Kultur eintauchen.
Jede freie Minute im Training zu verbringen, war gerade auch am Anfang sehr hilfreich, um leichter im neuen Leben im Ausland anzukommen. Von einigen Freundinnen und Freunden habe ich gehört, dass sie ihre Familie und Freunde vermissen und oft Heimweh haben.
Da ich aber neben dem Studieren viel Zeit im Dôjo oder im Fitnessstudio der Uni verbracht habe, war ich immer beschäftigt und hatte fast keine Zeit für Heimweh. Dadurch habe ich mich von Anfang an sehr wohlgefühlt.
In unserem Viertel gab es rund um den Bahnhof sehr viele Attraktionen, die von Touristen und Einheimischen gleichwohl geliebt werden und von uns nach und nach erkundet wurden.
Highlights waren hier definitiv die Arcades, also große Spielhallen, in denen man von Tanzen über Basketball bis hin zu Mario-Kart alle möglichen Spiele ausprobieren konnte und wo man auch schnell mal die Zeit vergisst und sich wundert, dass es schon so spät ist.
Auch ein weiteres japanisches Original ist immer genial: Karaoke. Anders, als man es vielleicht aus Filmen kennt, geht man hier nicht in eine große Bar und singt vor vielen Leuten, sondern mietet sich einen kleinen Raum und kann hier mit seiner Gruppe singen.
Egal, wie schräg und schief man singt, es macht immer Riesenspaß, was für mich ein ausschlaggebender Grund war, häufig selbst zum Mikro zu greifen.
Meine Freunde und mich hat es trotzdem nicht lange in Tokyo gehalten und wir wollten mehr vom Land sehen. Als erstes stand der heilige Berg der Japaner auf dem Programm, der Fuji-san.
Nach nur etwas mehr als einer Stunde im Bus, waren wir auch schon vor Ort und bezogen ein traditionell japanisches Haus. Die Gegend um den Fuji herum ist sehr schön, mit grüner Landschaft und kleinen Bächen.
Am nächsten Tag haben wir uns dann um fünf Uhr morgens aus dem Bett gequält und wurden dafür fürstlich belohnt. Von einem Tempel in der Nähe hatten wir einen perfekten Blick auf den Sonnenaufgang über dem Fuji, wolkenlos und perfekt symmetrisch hat sich dort der Berg präsentiert und auf einmal habe ich verstanden, warum dieser Berg heilig ist.
Auch jedes Mal danach, wenn ich ihn gesehen habe, war ich sofort begeistert. Als Kontrast zu einem hohen, schneebedeckten Berg ging der nächste Kurztrip nach Okinawa, die südliche Inselgruppe Japans, die durch wunderschöne Sandstrände, alte Burgen und wilde Natur besticht.
Bereits die Hauptinsel mit der Hauptstadt Naha war beeindruckend und bietet tolle Sehenswürdigkeiten. Absolut umwerfend sind dann aber die kleineren Inseln, die nur per Fähre zu erreichen sind.
Hier wohnen oft nicht einmal 1.000 Menschen, was ein ziemlicher Kontrast zur Metropole Tokyo ist. Das war wohl der am weitesten abgelegene Ort, an dem ich jemals gewesen bin.
Dafür bieten sich hier endlose Strände, die man oft komplett für sich allein hat. Das Wasser ist kristallklar und schon nach wenigen Metern sieht man ohne große Tauchausrüstung, nur mit einer Schwimmbrille ausgestattet, Unmengen an Fischen in strahlend bunten Farben und riesige Korallenriffe.
Obwohl auf diesen Inseln alles langsamer und altmodischer auf dem Festland ist, habe ich hier die beste Pizza während meiner Zeit in Japan gegessen, die ich wohl nicht so schnell vergessen werde. Nach einigen wundervollen Tagen mit Sonne, Strand und Meer ging es dann wieder nach Tokyo, wo das Studium rief.
Die nächsten Wochen waren hauptsächlich vom Studieren geprägt, eine willkommene Abwechslung wartete allerdings im Tokyo National Stadium. Hier traten an einem Feiertag die Teams der Waseda University und der Keio University im Rugby gegeneinander an.
Dass Rugby in Japan sehr ernst genommen wird, konnte ich schon einige Wochen vorher beobachten, als Japan aus dem Rugby World Cup ausgeschieden ist, was bei vielen Tokyotern für schlechte Stimmung gesorgt hat.
Davon, was sich bei diesem Spiel der beiden Unis abgespielt hat, war ich dann trotzdem überrascht. Das Stadion, in dem vor einigen Jahren noch die Olympischen Spiele ausgetragen wurden und das fasst 70.000 Zuschauer aufnehmen kann, war mit über 30.000 Fans immerhin halb gefüllt.
Bereits am Eingang wurden Fan-Artikel der jeweiligen Teams verteilt, als die Spieler, die an normalen Tagen nur Kommilitonen sind, einliefen, war im Stadion die Hölle los und sie wurden wie Superstars begrüßt, auch die Hymnen der Unis wurden aus voller Kehle gesungen.
Auch während des Spiels war die Atmosphäre super, und dass die Waseda University das Spiel dann auch noch gewonnen hat, hat diesen Tag perfekt abgerundet.
Nachdem ich im September von hohen Temperaturen und umso höherer Luftfeuchtigkeit in Empfang genommen wurde, war das Wetter ab Ende Oktober richtig angenehm.
Ich musste mich auch erst durch einen Blick auf die Karte davon überzeugen, aber Tokyo liegt ziemlich südlich, etwa auf derselben Höhe wie Ägypten.
Dadurch war es auch bis Dezember noch so warm, dass man problemlos ohne Jacke rausgehen konnte und sich an schönen Blumen im Park erfreuen konnte.
Ansonsten war die Zeit bis Dezember sehr entspannt und alles ging seinen gewohnten Gang. Ab Anfang Dezember verwandelten sich viele Bereiche in Tokyo, vor allem die Geschäfte und Einkaufsstraßen, in ein „Winterwunderland“ und waren nicht sparsam, was Weihnachtsdekoration anging.
Auch ohne Schnee oder kalte Temperaturen konnte dadurch so etwas wie Weihnachtsstimmung aufkommen. Nach den Weihnachtstagen, die auch an den meisten japanischen Unis frei sind, kam dann das neue Jahr, das für Japaner ein sehr hoher Feiertag ist.
Für mich war dabei das „Kagami Biraki“ ganz besonders interessant, das ist die traditionelle Zeremonie, bei der die wichtigsten Kampfsportschulen Tokyos das neue Jahr einläuten, so etwas einmal vor Ort und nicht nur auf YouTube zu sehen, ist unvergesslich.
Daneben hatte ich noch die Gelegenheit, einen Tag beim Sumo-Turnier dabei zu sein und dieses traditionelle Spektakel, das in Europa meistens etwas verwundert bestaunt wird, aus nächster Nähe zu erleben.
Der nächste und akademisch wohl wichtigste Meilenstein des Auslandssemesters war dann Ende Januar die Prüfungsphase. Bei mir bestand diese weniger aus schriftlichen Klausuren, sondern mehr aus Hausarbeiten, was ich aus Deutschland schon gewohnt war.
Anders als in Deutschland, wo man meistens ca. acht Wochen für die Arbeiten Zeit hat, mussten diese in Tokyo schon zum Ende der Kurse abgegeben werden.
Deshalb waren die letzten Januarwochen ziemlich vollgestopft und bestanden hauptsächlich aus Lernen und Hausarbeiten schreiben. Alles in allem konnte ich die Prüfungsphase aber gut hinter mich bringen und bin auch mit den Ergebnissen, die ich bekommen habe, sehr zufrieden.
Nach dem Semester stand dann ein sehr trauriges Ereignis auf dem Programm, der Abschied. Ich habe etwa fünf Monate in Tokyo verbracht und dort mit all meinen Freunden in einem Haus gelebt.
Wir haben uns fast täglich gesehen, haben uns darüber ausgetauscht, wo man ein Fahrrad kaufen oder wo man eine Ersatz-Glühbirne herbekommt, haben uns bei allen möglichen Problemen geholfen, und oftmals sind aus Kleinigkeiten die besten Erinnerungen entstanden.
Dass diese unglaublich intensive Zeit nun zu Ende war, stimmte uns alle sehr traurig, weshalb wir gleich schon eine „Reunion“ im Sommer geplant haben.
Passend zur traurigen Stimmung ist in Tokyo mit fünf Zentimetern Schnee in einer Nacht noch ein kurzes Schnee-Chaos ausgebrochen, das in Deutschland wahrscheinlich wenig Beachtung gefunden hätte, in Tokyo aber doch zu einigen Komplikationen wie gesperrten Autobahnen und verspäteten Zügen geführt hat.
Während meines Aufenthaltes durfte ich auch das ein oder andere Erdbeben erleben. In Deutschland weitestgehend unbekannt, rufen kleine oder auch größere Beben in der japanischen Hauptstadt nur wenig Reaktion hervor.
Einmal habe ich gerade mein Fahrrad abgestellt, als die Erde zu wackeln begann und sogar die Fahrräder durch das Beben umgefallen sind.
Für mich war das ein ziemlicher Schreck und ich habe sofort nach dem nächsten sicheren Unterschlupf gesucht, für die umstehenden Japaner war es wohl aber keine große Sache.
Die meisten Erdbeben schütteln für einige Sekunden ziemlich stark, sind dann aber auch schnell wieder vorbei, worüber ich immer sehr froh war.
Als ich dann Anfang Februar aus dem Wohnheim ausziehen musste, wollte ich die Gelegenheit noch nutzen und mehr von Japan und auch Asien sehen.
Dafür hat es mich zuerst auf Japans nördlichste Insel, Hokkaido, verschlagen. Kürbisse habe ich hier zwar keine gesehen, dafür aber Schnee in Hülle und Fülle, der sich auf und neben den Straßen mannshoch auftürmt.
Der Kontrast zur Hauptinsel war immens und hat mal wieder gezeigt, wie facettenreich Japan ist. Sowohl innerhalb einer Stadt aber auch im ganzen Land gibt es sehr starke Unterschiede.
So findet man sehr viele traditionelle Aspekte, die von Tempeln und Schreinen über Teezeremonien und friedliche Gärten reichen, aber auch immer wieder hyper-moderne Bereiche, wie immersive Museen mit beeindruckenden 3D-Installationen.
Mitte Februar stand dann die Abreise aus Japan auf dem Programm und es war an der Zeit für mich, ein Resümee zu ziehen. Ich hatte in Japan unglaublich viel gesehen und erlebt, konnte ein bisschen in die Kultur eintauchen, habe viel gelernt und neue Freundschaften geknüpft.
Obwohl ich natürlich nicht alles gesehen habe – was wahrscheinlich unmöglich ist – bin ich doch sehr zufrieden und glücklich, dass ich mich in dieses Abenteuer gewagt habe, das ein voller Erfolg geworden ist.
Bevor ich nach Deutschland zurückkehrte, habe ich noch einen Abstecher auf die Philippinen gemacht. Bereits nach einigen Tagen dort ist mir klar geworden, dass, obwohl die Inselgruppe auch zu Asien gehört, das Land das krasse Gegenteil von Japan ist.
Das fängt natürlich schon beim Klima an, das im Februar und März meistens für Temperaturen über 30 Grad sorgt und mich durch hohe Luftfeuchtigkeit ordentlich ins Schwitzen gebracht hat.
Wo in Japan penible Vorsicht herrscht, regiert auf den Philippinen das (kontrollierte) Chaos. Im Straßenverkehr ist die Hupe zu jeder Tages- und Nachtzeit das wichtigste Utensil, die scheinbar für jedweden Zweck eingesetzt werden kann und auch als vollwertiger Ersatz zum Blinken gilt, im Taxi gibt es nur auf dem Beifahrersitz einen Gurt zum Anschnallen.
Trotz allem hatte ich nie das Gefühl, dass ich in einer gefährlichen oder unsicheren Situation bin und hatte auch hier eine tolle Zeit. Das lag vor allem an den Menschen auf den Philippinen, die auch ganz anders sind als die Menschen in Japan.
Letztere sind sehr höflich und nachdem sie aufgetaut sind auch herzlich, bis dahin aber meistens eher reserviert. Die Philippinos hingegen sind sofort herzlich und hilfsbereit und sind für jeden Spaß zu haben.
Auch in diesem Land habe ich großartige Erfahrungen im Kampfsport gemacht und Techniken gelernt, die mich bestimmt lange Jahre begleiten werden. Auch die Landschaft hat es mir angetan, besonders die hohen Berge, von denen man einen wunderbaren Ausblick auf die langen Strände und das blaue Meer hat.
Als ich wieder im Flieger saß und 12.000 Kilometer um den halben Globus geflogen bin, habe ich gemerkt, dass ich jetzt, am Ende meines Auslandsaufenthalts tatsächlich schlauer bin und Dinge gelernt habe, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren.
Ich weiß jetzt vermeintlich triviale Dinge, wie dass Wasabi auch scharf ist, aber mehr in der Nase stäubt als im Mund brennt oder dass man manche Sushi-Arten mit den Fingern isst.
Ich weiß, wie man auf Japanisch mehr als Hallo und Tschüss sagt und wie man Essen bestellt. Mir fällt außerdem auf, dass ich hier ziemlich oft von Essen schreibe und das in Japan wohl echt gut gewesen sein muss.
Darüber hinaus habe ich aber noch viel mehr gelernt, beispielsweise, dass man mit Höflichkeit am weitesten kommt und ich habe ganz konkret gemerkt, wie verbindend und integrativ Sport sein kann.
Meiner Meinung nach ist das die beste Möglichkeit, um in einem neuen Land schnell Fuß zu fassen und Kontakte zu knüpfen. Nach meinem Auslandsaufenthalt weiß ich jetzt auch, dass ich mich meinem Ehrenamt als Trainer noch stärker widmen und noch mehr Zeit in meinem Verein verbringen möchte.
Nach meiner Rückkehr stand zuerst mal der Kampf gegen den Jetlag an, hier macht leider auch Übung nicht den Meister, bald geht es dann wieder mit dem Studium an meiner Heimatsuniversität weiter, wo noch einige Kurse und die Masterarbeit auf mich warten.
Auch wenn das Leben in Deutschland ziemlich schnell wieder seinen gewohnten Gang geht, erinnere ich mich immer wieder gerne an die tolle Zeit in Japan zurück, verliere mich in Tagträumereien über den Mount Fuji, Sushi oder Aikidô und schaue mir die vielen Fotos an, die ich während meiner großen Reise gemacht habe.