Stipendiatin Anna Paulig
Pamplona – alles steht mir offen
# Wenn du zurückkommst, bist du nicht mehr dieselbe
Mit dem Betreten spanischen Bodens in Madrid hat das Abenteuer begonnen, als mein Koffer in einer anderen Gepäckausgabe – Halle gelandet ist als ich. Flug nirgends angezeigt, Nachfragen beim Personal erfolglos (als Antwort kam entweder „vielleicht eine Verspätung, guck später nochmal“ oder „weiß ich auch nicht“) – kurz gesagt, ich war knapp davor ohne weiterzufliegen. So schnell habe ich dann doch nicht aufgegeben. Am Ausgang der Halle erhielt ich die Auskunft, ich müsse in eine andere Halle. Alle, die schonmal geflogen sind wissen, dass man nicht einfach so wieder rein kann, wenn man einmal durch den Ausgang ist. Letztendlich habe ich den Moment abgepasst, als die Automatiktüren aufgegangen sind und durchgeschlüpft. Der Einsatz hat sich gelohnt, denn ich habe mein Gepäck dort gefunden.
In der Wg wurde ich schon erwartet. Meine Mitbewohnerinnen waren schon seit Beginn des Semesters da und haben sich auf frischen Wind gefreut. Als Begrüßung haben sie einen Wg-Willkommensabend veranstaltet, an dem wir gemeinsam gekocht und Filme geschaut haben.
Auf meiner ersten Streiftour durch Pamplona bin ich einem Karnevalsumzug begegnet, der durch den Parque de la Ciutadella führte. Das ging alles sehr bunt und laut ab, auf eine mitreißende Art und Weise.
An meinem ersten Arbeitstag ist dann so ziemlich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte. Ohne Vorwarnung wurde das Wasser abgestellt, sodass Duschen unmöglich war. Später haben wir mitbekommen, dass das ganze Haus kein Wasser hatte. Natürlich ist der Kühlschrank auch ausgefallen. Daraufhin mussten wir den kompletten Inhalt entsorgen. Witzigerweise befand sich mein Büro im selben Gebäude einen Eingang weiter. Über Pünktlichkeit brauchte ich mir gar keine Sorgen machen. Ich war eine Stunde zu früh da. Nun bin ich nicht die Pünktlichste – aber mein Chef kann das locker übertreffen. Er war eine Stunde später als vereinbart da…
Mit den anderen beiden Praktikantinnen Stephanie und Mara aus Italien habe ich viel unternommen. Wir sind ganz oft unter der Woche abends weggegangen oder waren essen. Donnerstags ist in Pamplona immer Juevintxo – das darf man als Student unter keinen Umständen verpassen. Juevintxo setzt sich zusammen aus Jueves (spa. für Donnerstag) und Pintxo (baskisch für Pincho, ähnlich Tapas – Kleinigkeiten, die in Restaurants zu Getränken serviert werden). Der Abend wird zum Vorglühen genutzt. Ab Mitternacht machen die Bars dicht und alle gehen zum Indara, einem Club nur für Studis. In Pamplonas Altstadt kann jeden Abend gefeiert werden, von Donnerstag bis Sonntag. Nur an den ersten drei Abenden der Woche trifft man abends keinen an – die meisten ruhen sich aus für den Rest der Woche.
Pamplona – drinnen
# Ecuador oder doch lieber Spanien?
Angefangen hat alles am Donnerstag, den 12.03. An dem Tag hat unser Chef Igor das Büro geschlossen. Die Nachrichten haben auch die vorübergehende Schließung der Schulen u.Ä. beschlossen. Zu dem Zeitpunkt haben wir (mein neu gewonnener italienischer Freundeskreis und ich) die direkten Auswirkungen auf uns nicht überdurchschnittlich ernst genommen und noch Pläne geschmiedet. Wir wollten den Jakobsweg in Frankreich starten und uns für die Zeit des geschlossenen Büros auf die Spuren der Pilger begeben. Die Ausgangssperre hat unseren kleinen Traum leider vernichtet. Schneller als wir dachten. Ursprünglich sollte die Ausgangssperre erst ab Montag gelten. So hatten wir wenigstens für Sonntag eine Wanderung angedacht. Über Nacht hatte die Regierung aber entschieden, das Rausgeh-Verbot gilt ab Sonntag. Von da an waren die Sekunden draußen gezählt. In der Zeit ist mir bewusst geworden, als wie selbstverständlich wir unsere Freiheit erachten, mehr noch was es bedeutet sie zu haben und wie schnell sie einem genommen werden kann. In Spanien wurden Verstöße strenger geahndet als in Deutschland. Das bedeutet, man konnte wirklich nur zum Einkaufen raus. Anfangs hatten wir ausgemacht Supermärkte in der Mitte der Strecke unserer Unterkünfte auszuwählen, um uns wenigstens beim Einkaufen von Weitem zu sehen. Das war leider nicht in die Tat umsetzbar, da jeder angehalten war in den nächstgelegenen Supermarkt zu gehen.
Dafür haben wir als Wg sehr gut zusammengehalten und einen Kalender in die Küche gehängt, wann wir was zusammen machen. Wir haben eine Fitness-Challenge begonnen und Früh gemeinsam Sport gemacht. Jeder Tag stand unter einem anderen Motto: Montag Zumba, Dienstag Supermarkttag, Mittwoch Putztag, Donnerstag Pizza-Tag, Freitag Kartenspieltag, Samstag Taco-Nacht und Sonntag je nach Lust und Laune. Während der Ausgangsperre waren die Abende das Highlight des Tages. 20 Uhr sind alle Leute ans Fenster gegangen und haben geklatscht, gegrölt und mit Fußballtröten Lärm gemacht. Es war überwältigend!
Für das Praktikum standen mehrere Länder zur Wahl. Meine Favoriten waren Spanien und Ecuador. Bezüglich Corona kann ich die Entscheidung für Spanien nur gutheißen. Die Rückreise war nicht so ohne. Den Ausnahmezustand habe ich zu spüren bekommen. ÖPNV- nada, Flughafen in Pamplona geschlossen, Taxi-Zentralen nicht erreichbar und private Fahrten mit Bekannten zum Flughafen nicht erlaubt. Keiner wusste richtig, ob und wo es Straßensperren geben würde. Am Ende habe ich über Kontakte zu Einheimischen ein Taxi bestellen können, mit dem ich zwei Stunden zum nächsten Flughafen unterwegs war. Der Flughafen in Bilbao war gespenstisch leer, weil es früh nur einen einzigen Flug gab. Es wurde auch mehrmals kontrolliert, ob ich noch weiterfliege. Ausschließlich im Inland zu fliegen war derzeit verboten. In Madrid gab es nochmal Aufregung, weil spontan noch Flüge für denselben Tag abgesagt worden sind.
Anna Paulig
Hochschule Zittau/Görlitz